Home Region Rheintal Sport Magazin Schweiz/Ausland Agenda
Region Rheintal
21.02.2021

Nepper, Schlepper, Bauernfänger - der Karibiktrick

Neben Sand, Strand und Palmen gibt es in der Karibik auch zahllose Offshore-Gesellschaften (Bild offshore.picture)
Neben Sand, Strand und Palmen gibt es in der Karibik auch zahllose Offshore-Gesellschaften (Bild offshore.picture) Bild: offshore-picture
In unregelmässigen Abständen informiert rheintal24 über die Tricks der Nepper, Schlepper und Bauernfänger, die an Ihr wohlverdientes Geld wollen. Und so abstrus und märchenhaft diese Geschichten auch klingen: Immer wieder werden selbst unter erfahrenen Geschäftsleuten Opfer gefunden.

Eigentlich unfassbar, was für Geschichten und Tricks sich die vielen Gauner und Betrüger einfallen lassen, die nicht aus eigener Arbeit, sondern vom Geld anderer Leute leben wollen. Und unfassbar, wie die geprellten Möchtegernmillionäre ihre letzten Kröten zusammenkratzen und sich oft noch verschulden, um diese Versprechungen zu finanzieren. Ein grelles Pärchen in der Szene der Strassenbroker und Märchenerzähler waren lange Zeit die deutsche Staatsbürgerin Angela J. und der Urschweizer Franz M., die gemeinsam auf Geldsammeltour unterwegs waren. Mit strikter Aufgabentrennung. Auch im Rheintal.

Der abgehobene Professor Franz M.

 Während Franz M. den etwas abgehobenen «Professor» darstellte, der mit seinen Geschichten und Histörchen den allwissenden profunden Kenner des «private placement program» mit seiner wundersamen Geldvermehrung gab und über US-Staatsanleihen, das Finanztreffen von Bretton Woods und über MTN´s und LTN´s schwafelte, baute Angel J. mit ihren Opfern als sorgenteilende Zuhörerin ein Vertrauensverhältnis auf.

Verkrachter Versicherungsagent

Und so begab es sich vor einiger Zeit, dass die beiden den im Rheintal lebenden Vorarlberger Heribert W. trafen, einen ehemaligen LKW-Fahrer und verkrachten Versicherungsagenten. Der sich, der geneigte Leser weiss es schon, als Finanzfachmann hergab und im Übrigen allen Geschäften hinterherjagte, die mit nordkoreanischen Wons, alten ungültigen serbischen Dinaren oder angeblich in grossen italienischen Lagerhäusern gehorteten Mafia-Bargeldbeständen zu tun hatte. Nur wurde der ansonsten arbeitsscheue Herr W. aufgrund seines doch eher eingeschränkten intellektuellen Horizonts immer von richtigen Gaunern gelinkt und beschissen. Liess sich die serbischen Dinare seiner Kunden für nichts abschwatzen oder bei Währungsgeldwechseln in bar mit Zeitungspapier gefüllte Koffer überreichen, während er natürlich die echten Scheine hergab.

Heribert W. hatte Brokerkontakte ins ferne Burgenland, wo ein Schnellsiedekurs-Finanzfachmann Bankgarantien der Deutschen Bank anbot. Ausgestellt auf ungarische Staatsbürger, jeweils auf zehn Millionen Euro lautend. Niemand prüfte direkt bei der Deutschen Bank nach, ob diese höchst professionell aussehenden und angeblich von den damals amtierenden Vorständen der Bank gezeichneten Papiere echt waren.

 

Eine Gesellschaft in St.Vincent and the Grenadines - um gut 500 Franken gekauft, um 12´000 Euros verkauft (Bild: shutterstock) Bild: Shutterstock

Wer´s glaubt, wird selig

 Alle ungarischen und burgenländischen Beteiligten beschworen Stein auf Bein die Echtheit dieser Bankgarantien, schliesslich hätten sie dafür mit grossen Liegenschaften und Aktienvermögen Sicherheit geleistet. Wie sich später herausstellte, hatten diese armen, leichtgläubigen Leutchen einem angeblichen Mitarbeiter der Deutschen Bank über den burgenländischen Finanzfachmann jeweils € 10´000 für die Ausstellung der natürliche gefälschten Bankgarantien bezahlt. Und diese Bankgarantien seien mit einem hohen Betrag eines nicht genannt werden wollenden Milliardär besichert. Wer´s glaubt, wird selig.

Der Weg zum vielfachen Millionär

Jedenfalls organisierte Herr W. Treffen der ungarischen Bankgarantieinhaber mit dem Brokerpärchen Angela J. und Franz M.. Jeweils in einer Nobelkanzlei eines ebenfalls ahnungslosen und naiven Rheintaler Rechtsanwalts. Sie erzählten ihre Geschichten und gaben vor, mit den über zwanzig letztlich vorliegenden Bankgarantien einen grossen «trade», ein grosses «Programm» fahren zu können, das jeden der früheren Ostblockbewohner und jedes der kommunistisch verblödeten Schäfchen zu vielfachen Millionären machen würde. Wobei für diese Dienstleistung keinerlei Gebühren- oder Vorabzahlungen erwartet oder verlangt würden. Man sei mit einer niedrigen Gewinnbeteiligung zufrieden.

Völlig legal und strafrechtlich harmlos

In Wahrheit hatte der frühere Banker Franz M. sofort erkannt, dass die angelieferten Wertpapiere Fälschungen und nichts wert waren. Und hatte eine grossartige Idee, um völlig legal und strafrechtlich gefahrlos diese ungarischen Leutchen abzocken zu können. Jedem seiner letztlichen Opfer erzählte er, dass es einen Trick gebe, damit man die zu erwartenden Millionen nicht versteuern müsse, und dass es ohnehin für das Gelingen des „Programms“ unabdingbar sei, sich eine «entity», eine Gesellschaft zuzulegen.

Wobei am besten die Gesellschaften auf St. Vincent and the Grenadines geeignet seien. Perfekt, weil absolut anonym und steuerfrei. Perfekt, weil dieser karibische Staat praktisch das Schweizer Gesellschaftsrecht übernommen habe. Und perfekt, weil eine solche Gesellschaft innert Stunden um «nur» 12´000 Euro gegründet werden könne. Einziger Nachteil: man könne sich den Namen der Gesellschaft nicht selbst aussuchen.

Selbstverständlich waren die Ungarn in der Erwartung ihrer künftigen finanziellen Sorgenlosigkeit gleich dabei und brachten zu ihren Treffen in der Anwaltskanzlei die Gebühren und Kosten für diese Karibik-Konstrukte gleich mit. In bar selbstverständlich. Und wurden jeweils am nächsten Tag von Angela J. bereits mit allen Aktien, Registrierungsbestätigungen etc. von der fernen Palmeninsel bedient.

Verschleierung des wahren Zwecks des Tuns

Aber womit haben denn jetzt Angela J. und Franz M. ihre bedauernswerten Opfer abgezockt und abkassiert? Was weder die ungarischen «Investoren», noch der burgenländische «Finanzfachmann», noch der Schlepper Heribert W. und auch nicht der stets zu Meetings bereite Rechtsanwalt wussten: die von ihnen erhoffte Gewinnbeteiligung würde es mangels eines tatsächlichen Programms oder Trades niemals geben.

All die umfangreichen Formulare und Erklärungen, die für eine angebliche Compliance abgegeben werden mussten, all die notariell beglaubigten Ausweise und Wohnsitzerklärungen, die das Gaunerpärchen einsammelte, waren nur Schimäre. Affentheater. Verschleierung des wahren Zwecks des Tuns. Nämlich des Verkaufs der Karibik-Gesellschaften um jeweils 12´000 Euronen.

Gesellschaften auf Vorrat gegründet

Denn diese Gesellschaftsmäntel besorgten Angela und Franz jeweils bei der grossen und bekannten Treuhandgesellschaft Jeeves in Liechtenstein, die –zig solcher Gesellschaften auf Vorrat gegründet hatte. Offiziell und um wohlfeile 550 Franken pro Stück zu kaufen.

Aber hallo! Bei rund zwanzig Gesellschaften, die den sich bereits als vermögende Geschäftsleute fühlenden Ungarn im Verlaufe eines einzigen Monats angedreht wurden, belief sich der Erlös unseres Gauner-Duos auf satte 250´000 Stutz. Bar auf die Kralle und ohne Rechnungen. Auch ohne Risiko, denn schliesslich hatten sie ja den gewünschten Kaufgegenstand geliefert.

Wie die Sache ausging? Nach wenigen Wochen erhielten die unbedarften magyarischen Leutchen samt beteiligten Beratern die Meldung, dass der «Trade» gescheitert sei, weil die Bankgarantien sich als gefälscht herausgestellt hätten und dass Angela J. und Franz M. sich überlegen würden, Strafanzeige zu erstatten. Was für eine Chuzpe! Der einzige, der wirklich strafbehördlich verfolgt wurde, war der angebliche Finanzfachmann im Osten von Österreich, der freilich nicht wusste, was sich eigentlich abgespielt hatte.

P.S. Heribert W. gebärdete sich in den letzten Jahren als Immobilienfachmann mit eigener Firma in Baar LU. Die freilich schon wieder in Liquidation steht.

Jacob Wilhelm Grimm