Diogenes-Präsident Michel Bawidamann durfte im beinahe ausverkauften Sonnen-Saal in Altstätten etwa 400 Comedy-Fans zum Auftritt von Simon Enzler mit seinem Programm «Wahrhalsig» begrüssen. Und selbst die ersten Lacher ernten, als er sagte, «Wahrhalsig und wahrhaftig ist, wenn ein Innerrhödler so viele Leute mobilisieren kann.»
«Wahrhalsig» mit grosser Lust am «Granteln»
Typischer Appenzeller Kleinbürger
Dann legte Enzler auf der Bühne los. Mit der ihm eigenen Lust am «Granteln». Als vermeintlich typischer stockkonservativer Appenzeller Kleinbürger philosophierte er über die Wahrheit an der Wahrheit und die Stärke einer Behauptung. Mäkelte am Beamtentum herum und erzählte die Geschichte, wie er mit einer vorzeitigen Pensionsabfindung einen Food-Truck kaufen wollte, um dort mit mediterranem Touch Bratwurst mit Balsamico zu verkaufen.
Denn «irgendwoher muss der Geschmack ja kommen». Wie er zu früh mehrere Bananenschachteln mit Bratwürsten kaufte. Bratwürste, die er nicht verkaufen konnte, weil er den Food-Truck nicht kaufen konnte. Bratwürste, die er inzwischen unbedingt loswerden müsse, da aufgrund ihres zwischenzeitigen Fischgeruchs nur noch als Köder verwendbar.
Guggamusig auf Campingplatz
Köstlich, wie der Appenzeller über seinen Urlaub auf einem kroatischen Campingplatz philosophierte und sich dort gleich als Mitglied einer Guggamusigtruppe outete, als er in Herrgottsfrüh mit seinen Tubablasübungen startete. Und die nicht wirklich erfreuten Reaktionen seiner Zeltnachbarn mit dem Spruch abtat, „das ständige Lesen von Büchern von denen stört mich ja auch nicht.»
Enzler gibt den kleinbürgerlichen renitenten Querulanten, der trotz allem in Wahrheit angepasst bleibt, der sogar in Kroatien sein geliebtes «Quöllfrisch» trinkt und über «Schützenbräu» ablästert und sich in einem Zug darüber beschwert, dass die «Schwaben», womit alle Deutschen gemeint sind, ihr eigenes Bier mit in den Kroatienurlaub karren.
Plädoyer gegen Engstirnigkeit
Ein herrlich komischer Auftritt, voll von hintergründigem und dennoch schenkelklopfererzeugendem Humor. Simon Enzler ist einer der wenigen, der den Spagat zwischen Flachwitzen und intelligenter Ironie findet. Ob er Vegetarier, Fructarier oder Flexitarier veräppelt, sich darüber lustig macht, dass sich früher sicher niemand von Rucola und Mungobohnen ernährt hat oder über «Sprusabölla» philosophiert, nie wird er verletzend oder erzeugt das Gefühl, Randgruppen blosszustellen. Ausser den Schwaben natürlich. Sein Auftritt ist in Wahrheit ein Plädoyer gegen die kleinbürgerliche Engstirnigkeit.
Und tut gut in einer Zeit, die von einem engstirnigen Autokraten im Kreml und von Krieg, Flucht, Mord und Totschlag bestimmt ist.