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Berneck
05.06.2021

Ein Frühjahr ohne Honigernte

Bild: Ulrike Huber
Es war ein nasses und kaltes Frühjahr. Was besonders die Imker des Rheintals zu spüren bekommen. Denn die Honigernte musste bisher ausfallen, um nicht die Bienenvölker der Gefahr des Verhungerns auszusetzen.

«Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, keine Menschen mehr.» (Zitat Albert Einstein, 1949).

Kein Artikel über die Wichtigkeit der Bienen, der nicht diesen angeblichen Einstein-Ausspruch zitiert. Erstmals publiziert in der Zeitschrift «The Irish Beekeeper» im Jahre 1966 unterstreichen diese Worte die Bedeutung der kleinen Honigsammler für das gesamte Ökosystem. Denn die Bienen leben in Symbiose mit den Pflanzen. Sie brauchen den Nektar der Pflanze als Nahrung zum Überleben und die Pflanzen brauchen die Bienen als Bestäuber, um ihre Pollen zu verbreiten und sich so zu vermehren.

  • Es summt und brummt rund ums Bienenhüsli beim Schützenstand in Berneck Bild: Ulrike Huber
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Biene ist das drittwichtigste Nutztier

Was kaum jemand weiss: die Honigbiene ist in der Schweiz nach Rind und Schwein das drittwichtigste Nutztier. Nur die Bienen sichern uns die grosse Vielfalt an Nahrungsmitteln, wie wir sie kennen. Sie sichern durch das Bestäuben der Pflanzen gut dreissig Prozent der Lebensmittelproduktion. Aber wie haben sich der nasskalte Frühling und die verspätete Vegetationsperiode auf die Bienen im Rheintal ausgewirkt?

«Ein einziges Bienenvolk hat einen Jahresbedarf von siebzig bis achtzig Kilogramm Honig und von 25 bis 30 Kilogramm an Pollen, um sich selbst ernähren zu können», berichtet Niklaus Geiger, der mit seinem Kollegen Kurt Schmidheiny im «Bienenhüsli» unweit des Bernecker Schützenhauses imkert, «normalerweise kann man Ende Mai jenen Honig, die die Bienenvölker nicht für sich selbst benötigen, abernten. Ganz wichtig: dem Volk nicht das gesamte Futter zu nehmen. Mindestens fünf Kilo bleiben als Futterreserve im Stock. So musste dieses Jahr die Mai-Ernte ausfallen, will man nicht Gefahr laufen, dass die Bienen verhungern. Dort, wo es nötig ist, muss man sogar zufüttern.»

Es summt und brummt ums Bienenhüsli

Die beiden Imker betreuen zusammen fünfzehn Bienenvölker. Rund um das Bienenhüsli summt und brummt es, dass es eine wahre Freude ist. Jedes Volk ist ein grosser arbeitsteiliger Organismus, der sich ständig selbst erneuert, da eine Biene, ausgenommen die Königinnen nur etwa fünf bis sechs Wochen lebt. «Man bekommt einen richtigen Virus, wenn man mit dem Imkern anfängt. Obwohl es sehr viel Mühe und Arbeit ist, dass muss man sich von Vorneherein bewusst sein», erzählt Niklaus Geiger, der auch Obmann des Imkervereins Unterrheintal mit etwa achtzig Mitgliedern ist.

  • Niklaus Geiger zeigt den Zuckerteig, mit dem in blütenarmen Zeiten zugefüttert wird Bild: Ulrike Huber
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Die Aufgaben der Imker sind vielfältig. Die Entwicklung eines jeden Bienenvolkes muss ständig beobachtet werden. So sind auch immer wieder ausgeflogene Schwärme mit einer eigenen Schwarmkiste einzusammeln. «Dann kommt der Schwarm drei Tage in «Kellerhaft». Ursächlich für eine Teilung eines Schwarms und dessen Ausflug sind die Königinnen.» Wenn Ende Juli die nächste Honigernte eingefahren ist, müssen die Bienen mit einem Futterteig, einem Zuckerbrei zugefüttert werden, um die blüten- und pollenlose dunkle Jahreszeit zu überstehen.

Grösster Feind ist die Varroa-Milbe

Der grösste Feind der Bienenvölker ist nach wie vor die Varroa-Milbe. Jener heimliche und äusserst zerstörerische Schädling lebt seit nunmehr 40 Jahren inmitten der Schweizer Bienenpopulationen. Die Varroamilbe ernährt sich vom Blut der Bienen, nachdem sie sich an den erwachsenen Arbeiterbienen festgesaugt hat. Viel interessanter ist es für die Varroamilbe aber, in den Bienenstock zu gelangen, wo sie sich in die noch nicht verpuppten Zellen der Bienenbrut einnistet. Hier legt sie als erstes ein einziges Ei, aus dem eine männliche Milbe schlüpft. Diese wird nie einen Chitinpanzer bilden und die Zelle auch nicht lebend verlassen.

Diese Biene hat schon fleissig Pollen gesammelt, wie man am «Pollenhöslein» unschwer erkennen kann Bild: Ulrike Huber

Ihre einzige Aufgabe ist es, die anschliessend gelegten Eier zu befruchten, welche noch in der Brutzelle ihre Geschlechtsreife erlangen. In der Regel sind die Zellen der Arbeiterbrut zwölf Tage verdeckelt. In diesen zwölf Tagen bilden sich bis zu zwei neue Varroamilben. In einer Drohnenbrutzelle können sogar bis zu drei neue Milben heranwachsen, da diese einen weiteren Tag verschlossen bleibt.

Vermehrung unterbrechen

Die neugeschlüpften Milben suchen sich anschließend neue Brutzellen, vermehren sich weiter und entziehen den jungen Bienen die lebenswichtige Hämolymphe. Nach nur neun Vermehrungszyklen entsteht so eine Milbenpopulation von mehr als 700 Varroa destructor. Eine einzige Milbe, die bei der Pollen- oder Nektarsammlung von einer anderen, befallenen Biene übertragen wurde, kann also in der kurzen Zeit von Mai bis Oktober schon mehr als 700 Neutiere produzieren. Die von einem Bienenvolk verkraftbare Obergrenze liegt bei 3´000 Milben. Werden die Milben in durch eine nicht vorhandene Unterstützung des Imkers nicht zu mindestens etwa 98 Prozent abgetötet, wird die Vermehrung der Varroa destructor zu einem zerstörerischen Zyklus, der das Bienenvolk zusammenbrechen lässt.

  • Die Bienenvölker müssen sorgfältig beobachtet werden Bild: Ulrike Huber
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  • Die Stärke des Varroamilbenbefalls eines Volkes lässt sich auf diesem Bodenblech erkennen Bild: Ulrike Huber
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«Da gilt es, jedes Bienenvolk genau zu beobachten und mit dem Arzneischrank zu behandeln, um jeweils den Peak, also den Gipfelpunkt einer Milbenvermehrung rechtzeitig zu brechen», so Niklas Geiger, «was im Notfall theoretisch auch ohne synthetische Produkte möglich wäre.» Derzeit wird allgemein hauptsächlich mit Ameisensäure, die den Parasiten dazu bringt, einfach von seinem Wirtstier abzufallen, und mit Hyperthermie gearbeitet, da Bienen eine höhere Temperatur vertragen, als die Varroa-Milbe.

  • Der Imker mit seinen «Schutzbefohlenen» Bild: Ulrike Huber
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  • Ein gesundes Bienenvolk, an den hellen Flecken auf der Wabe kann man den bald schlüpfenden Nachwuchs erkennen Bild: Ulrike Huber
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  • Diese ausgediente Wabenplatte wird wieder eingeschmolzen und neu verwendet Bild: Ulrike Huber
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  • Schon der Vater von Niklaus Geiger war begeisterter Imker Bild: Ulrike Huber
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Blüten- und Honigtauhonig

Niklas Geiger und Kurt Schmidheiny sind stolz auf ihren regional produzierten und wohlschmeckenden Honig. Wobei es je nach Jahreszeit zwei Honigsorten gibt. Den Blütenhonig, den die fleissigen Bienen in der Blühperiode sammeln, und der, wie eine Pollenanalyse ergeben hat, eine vielfältige Zusammensetzung von der Edelkastanie über Rosengewächse wie Himbeere und Brombeere bis zu Ölbaumgewächsen wie Liguster hat. Der später im Jahr von den Bernecker Bienenvölkern erzeugte Honigtauhonig wird in einem unabhängigen Analysebericht als «Wunderbarer Honig!» bezeichnet.

Jungvölker, die sich noch entwickeln müssen Bild: Ulrike Huber

Wer´s nicht weiss: Honigtau ist das zuckerhaltige Ausscheidungsprodukt von Blatt-, Schild- und Mottenschildläusen, von Schnabelkerfen und Zikaden, die sich vom Saft der Pflanzen ernähren. Diese Ausscheidungsprodukte stellen eine beliebte Nahrungsquelle für verschiedene Insekten, wie auch für die Bienen dar. Jeder Autofahrer, der schon unter einem Baum parkend bei der Rückkehr sein Fahrzeug mit einem klebrigen Film bedeckt gefunden hat, weiss, was Honigtau ist.

«Man ist immer Anfänger»

«Unser Hobby, unsere Arbeit ist einfach faszinierend», so der Frühpensionist und Hobbyimker Niklaus Geiger abschliessen, «Man kann den Bienen durch das Guckloch beim Ein- und Ausfliegen zusehen und lernt diese faszinierenden Wesen mit dem Aufbau eines Volkes genau kennen. So hat ja jedes Bienenvolk seinen eigenen Geschmack oder Duft. So können die Bienen fremde Eindringlinge, wie andere Bienen oder Wespen, sofort abwehren, weil sie sie eben am Duft erkennen.» Der Imker-Grundkurs dauert zwei Jahre. «Aber man ist immer Anfänger, man lernt nie aus, und beschäftigt sich mit Natur und Pflanzen.»

gmh/uh
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