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Au
30.03.2021
21.05.2021 08:52 Uhr

Fatale Folgen für die Rheintaler Gemüseproduktion?

Der Gemüseproduzent Walter Gasser kontrolliert den Wuchs des Spinats auf seinem Feld in Au SG
Der Gemüseproduzent Walter Gasser kontrolliert den Wuchs des Spinats auf seinem Feld in Au SG Bild: Ralph Dietsche
Die Annahme der beiden Agrar-Initiativen hätte nach Ansicht von Rheintaler Gemüsebauern für die Schweizer Gemüseproduzenten fatale Folgen. Es wird mit Ernteausfällen von über 25 Prozent gerechnet.

Erika und Walter Gasser führen den Böschenhof in Au in dritter Generation. Sie beschäftigen je nach Saison zwischen fünf und 100 Personen. Produziert werden Erdbeeren, Salate, Blumenkohl, Spinat, Zucchetti, Randen, gelbe Räben, Karotten, Kürbisse, Ribelmais, Dinkel und Schnittblumen. Von Beginn weg konzentrierte sich die Familie Gasser auf den Ackerbau. Einen Teil der gesunden Produkte vermarktet sie direkt über den Hofladen oder den Selbstbedienungs-Kühlschrank vor Ort. Dieser Absatzkanal gewinnt von Jahr zu Jahr an Bedeutung.

Optisch einwandfreie, lagerfähige und frische Produkte

Der Grossteil des Gemüses wird über den Detailhandel verkauft. «Die Kundschaft erwartet optisch einwandfreie, lagerfähige und frische Produkte aus der Region zu möglichst günstigen Preisen», weiss Walter Gasser. Diese Anforderungen vermag der Erdbeer- und Gemüseproduzent bis heute zu erfüllen. Unter anderem dank dem gezielten und punktuellen Einsatz von Pflanzenschutzmittel. Die beiden extremen Agrar-Initiativen bereiten ihm deshalb Bauchschmerzen: «Sie gefährden die regionale, einheimische Produktion und verteuern die Lebensmittel massiv.»

Florian (v.l.), Erika und Walter Gasser vor dem Böschenhof in Au. Die Erdbeer- und Gemüseproduzenten wollen weiterhin qualitativ hochstehende Lebensmittel zu konkurrenzfähigen Preisen produzieren Bild: Ralph Dietsche

Bei Schädlingsbefall droht Totalausfall

Aus der Sicht von Walter Gasser ist eine weitere Verschärfung der Vorschriften unnötig. «Es ist in unserem Interesse möglichst wenig Pflanzenschutzmittel einzusetzen. Allein schon aus Kostengründen. Allerdings ist dies nicht immer möglich. Werden bei einem Kontrollgang Schädlinge oder ein Pilzbefall festgestellt, müssen wir handeln, um nicht die ganze Ernte zu verlieren. Dies wäre künftig nicht mehr möglich», erklärt Walter Gasser.

Heute zählt der Rheintaler Gemüseproduzent auf das Fachwissen von verschiedenen, spezialisierten Beratern. Unter anderem vom Landwirtschaftlichen Zentrum in Salez. Diese unterstützen sämtliche Landwirte in der Region und begehen jede Woche die Felder. Dadurch erkennen die externen Fachpersonen frühzeitig allfällige Gefahren und können entsprechende Massnahmen empfehlen. «Heute erfolgt das Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln viel dosierter als noch vor ein paar Jahren», versichert Walter Gasser. Hinzu komme, dass die Forschung und Entwicklung auch beim Pflanzenschutz enorme Fortschritte mache: «Heute können Blattläuse bekämpft werden, ohne dass beispielsweise Marienkäfer darunter leiden.» Schon heute werden 20 Prozent der Betriebsfläche als Biodiversitätsförderflächen bewirtschaftet. Dies ist fast das Dreifache der verlangten sieben Prozent.

Florian Gasser auf dem frisch bepflanzten Feld in Au SG. Hier soll der einheimische Salat wachsen Bild: Ralph Dietsche

Anspruch der Kundschaft ist gestiegen

Die zu bewirtschaftenden Felder der Familie Gasser befinden sich direkt an der Autobahn A13 sowie in Dorfnähe im Erholungsgebiet: «Wir stehen dadurch unter ständiger Beobachtung unserer Kundinnen und Kunden.» Dies hat den Vorteil, dass ab und zu ein Austausch stattfindet: «Im ländlichen Raum steht ein grosser Teil der Bevölkerung hinter der Landwirtschaft. In städtischen Gegenden sieht es anders aus. Dort fehlt der Bezug zur Landwirtschaft.»

Dennoch sollten sich auch jene Konsumentinnen und Konsumenten bewusst sein, dass die Annahme der beiden Agrar-Initiativen direkte Auswirkungen für sie hätten. Nebst der Erhöhung der Preise für einheimische Lebensmittel würden auch Arbeitsplätze in der gesamten Wertschöpfungskette gefährdet sowie die Umweltbilanz verschlechtert. Denn wenn in der Schweiz weniger Lebensmittel produziert werden, müssen diese vom Ausland importiert werden.

Folgen für Betrieb sind noch unklar

Ob es unter verschärften Bedingungen noch rentabel ist im grossen Stil Gemüse und Erdbeeren in der Schweiz anzupflanzen, kann heute noch nicht abschliessend beurteilt werden. Die Produktionsmengen werden aber mit Sicherheit sinken. «Die Kundinnen und Kunden müssten bereit sein, einen deutlich höheren Preis zu bezahlen. Dieser müsste die Ernteausfälle und die Zusatzleistungen decken. Zudem dürften an die optische Qualität sowie die Lagerfähigkeit des frischen Gemüses nicht mehr dieselben Ansprüche gestellt werden», gibt Walter Gasser zu bedenken.

Ausland würde profitieren

Aus seiner Sicht ist es naheliegend, dass Grossverteiler bei einer Annahme der Initiativen auf billige, ausländische Produkte ausweichen und Konsumenten zum Einkaufstourismus animiert werden. «Ich glaube jedoch, dass dies nicht das Ziel der Initianten ist», hofft Walter Gasser. Sollte die Kundschaft künftig tatsächlich ausbleiben, gäbe es für seinen Betrieb nur eine Alternative: «Wir müssten unsere Produktion einstellen und auf die Biodiversität setzen, um die entsprechenden Unterstützungsbeiträge beim Bund abzuholen. So würden wir keine Risiken eingehen und wüssten anfangs Jahr mit was für Einnahmen wir rechnen können. Die Landschaftspflege könnte ich wohl alleine erledigen.»

Soweit soll es nicht kommen: «Dies würde mich nicht erfüllen.» Deshalb hofft Walter Gasser auf die Vernunft der Bevölkerung: «Wenn wir jetzt die Produktion der landwirtschaftlichen Erzeugnisse runterfahren, sinkt die Versorgungssicherheit und wertvolles Wissen geht verloren. Dieses kann man sich im Krisenfall nicht einfach wieder auf die Schnelle aneignen.» Die weitreichenden Folgen müssen einem beim Ausfüllen der Abstimmungsunterlagen bewusst sein.

pd
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