Home Region Rheintal Sport Magazin Schweiz/Ausland Agenda
Berneck
11.03.2021
12.03.2021 10:03 Uhr

«Die Einzelschicksale der Wirte lassen mich nicht kalt»

NR Mike Egger fordert ein Ende der Gastroschliessung
NR Mike Egger fordert ein Ende der Gastroschliessung Bild: svp.ch
Nationalrat Mike Egger aus Berneck machte sich in Bern für eine «Turbo-Öffnung» am 22. März stark. Diese ist allerdings in formeller Hinsicht gescheitert. Wie geht es weiter?

Nach einer neunstündigen Coronadebatte stimmte der Nationalrat am Dienstag über die grosse Lockerung am 22. März inklusive zumindest teilweiser Öffnung der Gastronomie, ab und verwarf den Gesetzesartikel mit deutlicher Mehrheit. Mike Egger von der SVP, der als Sohn eines Wirteehepaars die Sorgen und Nöte der Gastronomen besonders gut kennt, befürwortete die schnelle Öffnung von Restaurants, Fitnesscentern und Kinos. rheintal24 hat beim Bernecker nachgefragt, wie er die Coronadiskussion in Bern, zugleich ja die längste Sitzung des Nationalrates, die es je gab, erlebt hat.

Rheintal24: Herr Egger, von aussen hatte man den Eindruck, in Bundesbern herrsche der Ausnahmezustand. Täuscht dies?

Nein, dieser Eindruck täuscht nicht, das COVID-19 Gesetz muss bereits wieder angepasst werden. Bei den Anpassungen handelt es sich um schwerwiegende Entscheide in Milliardenhöhe. Ich musste als Mitglied der Finanzkommission innerhalb von zwei Tagen über Nachtragskredite von etwa 14 Milliarden Schweizer Franken entscheiden. Bei solch hohen Summen schläft man trotz der Notwendigkeit dieser Gelder nicht mehr ruhig.

Rheintal24: Das Resultat sind nun die Erklärungen des Nationalrats und Diktaturvorwürfe, die von der SVP erhoben werden. Was halten Sie davon?

Damit überhaupt eine Debatte im Rat angestossen werden konnte und über das Thema Öffnung diskutiert wurde, brauchte es eine direkte Kommunikation sowie verschiedene Anträge und Vorstösse mit einer etwas klareren Wortwahl. Fakt ist, dass der Bundesrat die obligatorischen Vernehmlassungen über neue Massnahmen nur noch pro forma durchführt und Mehrheitsentscheide von Kantonen und Parlamentskommissionen einfach ignoriert, was staatspolitisch sicherlich als suboptimal betrachtet werden muss. Die Aufgabe des Parlamentes ist es, die Oberaufsicht über den Bundesrat wahrzunehmen und die Handlungen der Landesregierung kritisch zu hinterfragen. Zu Beginn einer Krise braucht es zweifelsfrei schnelle Entscheide. Dauert die Krise aber länger und die Standardprozesse werden wieder aufgenommen, so sind Lösungen in Absprache zwischen den verschiedenen Institutionen, sprich Bundesrat, Parlament und Kantone zu treffen.

Rheintal24: Wie äussert sich die aussergewöhnliche Lage im Bundeshaus sonst? Gibt es viele Drohungen gegen die Bundesräte?

Ich habe gerade heute mit dem Sicherheitspersonal hier im Bundeshaus gesprochen. Das Sicherheitsdispositiv wurde massiv ausgebaut und die Drohungen gegenüber Bundesrat aber auch Parlamentariern haben gemäss den Angaben der Sicherheitskräfte massiv zugenommen. Leider erhielt ich selbst ebenfalls Drohungen und Hassschreiben. Persönlich verurteile ich jegliche Art von Droh- und Hassverbreitungen scharf. 

Rheintal24: Die Lage ist angespannt. Wann wird es besser?

Leider kann ich keine genaue Antwort auf diese Frage geben. Wir von der SVP haben im Nationalrat eine Öffnung per 22. März gefordert. Leider sind die Mitteparteien zurückgekrebst, was ich zu tiefst bedaure. In der Wirtschaftskommission wie auch der Gesundheitskommission hatten wir Mehrheiten für die Öffnung, jetzt ziehen sich die beiden Fraktionen wieder zurück. Sie belassen es bei einer unverbindlichen Erklärung an den Bundesrat. Unverständlich. Denn neben den gesundheitlichen Herausforderungen gilt es auch die wirtschaftlichen Herausforderungen und die damit verbundenen Schicksalsschläge zu berücksichtigen. Die Wirtschaft und die Gesellschaft bräuchten endlich wieder eine Perspektive! Aufgrund der Ablehnung unserer Anträge durch die Mitteparteien bleibt diese Ungewissheit über die Öffnungen für die Betroffenen weiterhin bestehen.

Rheintal 24: Die «Turbo-Öffnung» am 22. März scheiterte am Ende ziemlich deutlich. Sie machten sich für schnellere Lockerungen stark. Warum?

Wie erwähnt scheiterte die Öffnung, weil sich die Mitteparteien FDP und CVP entgegen ihren eigenen Entscheiden in der Kommissionen umentschieden haben. Ich habe mich für eine Öffnung eingesetzt, da ich als Wirtesohn persönlich weiss, wie hart die aktuellen Massnahmen einzelne Betriebe treffen. Zudem lassen mich Einzelschicksale, welche mich erreichen, natürlich nicht kalt. Wir können hier in Bern noch so viele weitere Milliarden sprechen, die Probleme der Betroffenen werden wir dadurch nicht lösen, denn am Schluss zahlen die Steuerzahler und somit auch wieder diese Betriebe die aktuell verursachten Schulden. So wie ich die Schweizer Wirtschaft kenne, will diese nicht von Unterstützungsgelder des Staates leben, sondern sie möchte wieder arbeiten und Einnahmen erwirtschaften!

Rheintal24: Was erhoffen Sie sich nun vom Bundesrat? Welche Lockerungsschritte braucht es als nächstes dringend?

Die Restaurants, Fitnessbetriebe und auch sonst betroffenen Branchen sind unter Einhaltung eines Schutzkonzeptes zu öffnen. Der Bundesrat muss endlich eine verbindliche Ausstiegsstrategie mit Perspektiven für die betroffenen Branchen präsentieren. Etwas vom schlimmsten ist die Perspektivlosigkeit, welche aktuell für sehr viele Menschen in diesem Land herrscht. Gerade auch die junge Generation ist von den massiven Einschränkungen der persönlichen Freiheiten massiv betroffen. Dies spiegelt sich leider auch in den zunehmenden psychischen Erkrankungen ab, welche im Zusammenhang mit der COVID-19 Krise stehen. Wir müssen den Menschen in unserem Land endlich wieder Hoffnung schenken!

Rheintal24: Besten Dank für das Gespräch.

gmh/uh/mic
Demnächst