«Singen verboten» – so lautet eigentlich kurz und bündig das Verdikt, das aus den Corona-Schutzbestimmungen herauszulesen ist. Denn gerade beim Singen, wie auch beim lauthals Lachen oder beim Husten, sollen besonders viele der Aerosole, über die der Covid-19-Virus hauptsächlich übertragen wird, in die Umgebung abgegeben werden. Was machen in einer solchen Zeit die vielen Chöre des Rheintals, wenn die Nachtigallen und Goldkehlchen stumm blieben müssen? Rheintal24 hat beim Männerchor Au-Berneck nachgefragt. Wer zunächst einen Blick in die Homepage des Chores wirft, sieht gleich, dass die Sänger versuchen, die Situation mit Humor zu nehmen, denn der Besucher der website wird mit einem launigen Gedicht empfangen.
„Gesungen wird nur über Skype“ - ein Chor in seltsamen Zeiten
Wir alle sind sehr, sehr traurig,
Wir lieben unser Hobby schaurig
Aktuell müssen wir schweigen
Darob wir Mannen sehr tun leiden
....aber im Auto, unter der Dusche, im Wald und auf der Heide,
Da singen wir weiter mit grosser Freude!
Kopf hoch und stets dran glauben
lausige Zeiten werden verstauben
Das Gute kommt sicher zurück
wir geben nicht auf - zum Glück!
Ja, so ist es. Im Wald und auf der Heide, im Auto und unter der Dusche, wie natürlich auch in der Badewanne, da ist das Singen noch erlaubt. Aber dürfen noch Proben stattfinden, eventuell in Fünfergruppe und mit Mundschutz? «Nein leider nicht, da das Singen in Gruppen verboten ist. Darunter fallen leider auch Proben in kleinen Gruppen. Vor der aktuellen Verschärfung (also kurz vor den Sommerferien bis zum Bettag) haben wir jeweils Registerproben machen können – unter Berücksichtigung des Mindestabstands - doch das ist auch vorbei und ein Singen mit Masken ist eher schwierig. Erstens behindert die Maske das Atmen und zweitens klingt es nicht gut», erklären Präsident Daniel Hutter und Aktuar Alex Steiger unisono.
Doch die Au-Bernecker Sangesfreunde haben einen kleinen, wenn auch wenig geselligen Ausweg gefunden: Singen mit der Dirigentin Marta Flesch über Skype. «Unsere Dirigentin bietet Gesangsproben online via Skype an. Das Angebot wird momentan aber eher zurückhaltend genutzt, da hätten wir noch Luft nach oben.» Es seien aber doch etwa sechs bis acht Sänger, die so eine «Privatprobe» für den Einzelnen mindestens für so effizient halten, wie Gesamtproben. Dass es noch nicht mehr Tonleiterakrobaten sind, die dieses Angebot nutzen, liege daran, dass überwiegend ältere Jahrgängen mitsingen, die nicht so computeraffin sind.
Aber im Grossen und Ganzen ist das gewohnten Vereinslebens derzeit kaum möglich. Da aber administrative Dinge innerhalb der Vereinsorganisation doch erledigt werden müssen, treffe sich wenigstens der Vorstand ab und zu, aber auch das habe sich reduziert. Und auch die gesellschaftlichen Anlässe, wie zuletzt der Klausabend, sind natürlich alle ins Wasser gefallen. Alex Steiger: «Als Ersatz, und um zu zeigen, dass wir unsere Sänger nicht vergessen haben und um sie bei der Stange zu halten, hat der Vorstand jedem Mitglied ein Geschenk bestehend aus einer Weihnachtskarte, einem guten Wein und Weihnachtsgebäck überbracht. Diese Überraschung hat alle sehr gefreut und uns Gelegenheit gegeben, mit den Männern zwischen Tür & Angel einen Schwatz zu tun.»
Die Hoffnung auf ein Stück Normalität im Sangesleben noch in diesem Jahr stirbt zuletzt. «Wir glauben daran, dass wenn die Impfaktionen voll anlaufen, wieder geprobt werden kann. Das Rheintaler Gesangsfest in Rüthi steht momentan noch auf der Kippe, das Singen in den Altersheimen kann auf einen späteren Zeitpunkt (z.B. nach den Sommerferien) verschoben werden, das Torkelfest möchten wir durchziehen, falls von der Gemeinde grünes Licht gegeben wird. Und wenn die Impfkampagne gut läuft, denken wir, dass die Herbst- und Adventanlässe durchgezogen werden können.» Jedenfalls habe die Musikkommission des Vereins das Liederrepertoire für 2021 festgelegt und dies den Sängern kommuniziert. Dies mit dem Hinweis, dass zwischenzeitliches Studium der Texte oder das Üben mit dem Online-Probentool «Primus» für die Wiederaufnahme der Proben sehr hilfreich sein kann.
Wie geht es den Gesangsvereinen wirtschaftlich? Denn schliesslich gibt es in anderen Bereichen nicht wenige Vereine, die mit dem Ausfall der Einnahmen aus Eintrittsentgelten und dem Rückgang von Sponsorzahlungen, schwindende finanzielle Ressourcen betrauern müssen. Zum Glück ist es beim Männerchor Au-Berneck etwas anders, wie Daniel Hutter und Alex Steiger bestätigen können: «Wir hatten im Frühjahr 2020 wie jedes Jahr die sogenannten Gönnerbriefe, mit der Bitte um Unterstützung, an alle Haushaltungen und Firmen in unseren beiden Gemeinden verteilt. Wir müssen unseren Spenderinnen und Spendern ein Kränzchen winden, da wir letztes Jahr trotz Corona sehr grosszügig unterstützt wurden. Doch wie alle Vereine haben auch wir als Männerchor laufende Kosten, die beglichen werden müssen, auch wenn wir nicht singen und damit auch keine Einnahmen aus Auftritten generieren können.»
Was den Sängern wirklich Mut macht in diesen seltsamen Zeiten ist die Tatsache, dass es dem Männerchor noch vor der Pandemie gelungen war, neue Mitglieder für sich zu gewinnen. Und während der Pandemie, nämlich nach den Sommerferien, als das Singen kurzzeitig wieder erlaubt war, sogar einige «Schnuppersänger» begrüsst werden durften. «Bis jetzt ist keines der neuen Mitglieder an den Vorstand herangetreten, um uns mitzuteilen, dass ein Austritt in Betracht gezogen wird. Im Gegenteil, die meisten Mitglieder vermissen das gemeinsame Singen und das gemütliche Beisammen sein sehr. Unter den gegebenen Probeneinschränkungen ist es aber eine spezielle Herausforderung diese «Schnuppersänger» zu einer definitiven Mitgliedschaft zu motivieren.»
Stolz sind Präsident Hutter und Aktuar Steiger darauf, dass der Zusammenhalt zwischen den Sängern trotz der misslichen Umstände immer noch da ist. «Auch wenn Corona den einen oder anderen erwischt hat. Gott sei Dank nicht in einer der Proben und, soviel wir wissen, keiner mit bleibenden Schäden, die das Singen verunmöglichen würden.»