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Berneck
22.01.2024

Gesang, der in die Höhen führt

Die Weltklasse-Sopranistin Jeanine De Bique gab ein furioses Konzert in Berneck
Die Weltklasse-Sopranistin Jeanine De Bique gab ein furioses Konzert in Berneck Bild: Ulrike Huber
Ein absolutes Weltklasse-Konzert ging am Sonntagabend in der evangelischen Kirche in Berneck über die Bühne, als die Sopranistin Jeanine De Bique und das Barockorchester Il prete rosso Stücke von Purcell und Händel spielten.

Was für eine Erscheinung! Was für eine Stimme! Was für ein grossartiges Konzert! Nur ganz selten verirrt sich eine solch stimmgewaltige klassische Sopransängerin von internationalem Format ins kleine Rheintal. Nur ganz selten sind hier Arien von solch hoher Qualität zu hören.

Barockorchester und Opernsängerin

Ja, es war ein schöner, ein ganz und gar ungewöhnlicher Abend, den das semiprofessionelle St.Galler Barockorchester «il prete rosso» unter der Leitung von Andreas Westermann zusammen mit der aus Tobago stammenden Opernsängerin Jeanine de Bique den Klassikfans in der evangelischen Kirche Berneck bereitete.

Beda Germann begrüsste als Präsident des Kulturforum Berneck die teilweise aus Basel, Thun und Lugano extra angereisten Zuhörer Bild: Ulrike Huber
Die evangelische Kirche in Berneck war ausverkauft Bild: Ulrike Huber

Unter dem Thema «Cupid and Death» war ein exquisites Programm aus selten gespielten Barockopern von Georg Friedrich Händel und Henry Purcell zusammengestellt worden. Musikwerke, die sich mit Liebe und Tod beschäftigen. Ouvertüren und Arien aus der Blütezeit des Barock. Mit Handlungen, die aus der griechischen Mythologie oder der Heiligen Schrift entlehnt wurden. Handlungen von lieben, leiden und sterben.

In göttlicher Gestalt gezeigt

So wurde etwa die Arie «Endless pleasure» aus Händels Oper «Semele» von Jeanine de Bique vorgetragen. Die Handlung von «Semele» schildert die Geschichte der Liebe der schönen Semele zu Jupiter, der von seiner eiferstüchtigen Gattin Juno dazu gebracht wird, sich seiner Geliebten in seiner göttlichen Gestalt zu zeigen, wohlwissend, dass die Erfüllung dieses Wunsches Semeles Tod bedeutet. Doch in der vorgetragenen Arie ist Semeles Tod noch weit entfernt und sie besingt die «endlosen Freuden», welche ihr Jupiters Liebe beschert.

Impressionen des Konzerts mit Jeanine De Bique Bild: Ulrike Huber
Bild: Ulrike Huber

Noch im ersten Teil dieses furiosen Konzertabends folgten zwei Gesangsstücke, die sich mit dem Thema Mutterliebe beschäftigten. Die ergreifende Arie «Alternate hopes and fears» aus Händels Oper «Belshazzar» und das Lied «The blessed virgin´s expostulation» von Henry Purcell. Purcell beschreibt darin in aller musikalischen Eindrücklichkeit die Verzweiflung der Jungfrau Maria, die nach dem Pessachfest ihren zwölfjährigen Sohn Jesus vermisst.

Skrupellose Zauberin

Nach der kurzen Pause folgte eine Arie aus «Alcina», jener Oper von Georg Friedrich Händel, die eine skrupellose Zauberin beschreibt, die ihr ganzes Leben damit zubringt, ihre steinige Insel durch die Verwandlung ihrer abgelegten Liebhaber in Pflanzen und Blumen in ein Paradies zu verwandeln. Eine Wahnsinns-Arie. Mit einer Wahnsinss-Performance von Jeanine de Bique, die laut und leise, gebend und fordernd mit enormem schauspielerischen Talent in der Rolle der Alcina förmlich aufgeht. Auch wenn es nur Minuten sind.

Video: Ulrike Huber

Das 13-köpfige Barockorchester «il prete rosso» konnte auch brillieren Bild: Ulrike Huber

Jeanine de Bique lebte sich überhaupt in die verschiedenen weiblichen Persönlichkeiten, die sie in den Arien verkörperte, hinein. War einsam, sehnsüchtig, wütend, aber auch fröhlich. Füllte den vollbesetzten Raum der evangelischen Kirche in Berneck mit ihrer Stimme bis in die hintersten Winkel aus.

Zur absoluten Höchstform gefunden

Und fand nach vielen Highlights in den am Schluss des Konzerts gesungenen Koloraturarien zu absoluter Höchstform. Die in Trinidad geborene Sängerin, die schon zum Stammpersonal der Wiener Staatsoper gehörte und im Theatre de Champs-Elysees in Paris die vielumjubelte Hauptrolle in der Oper «Rodelinde» gespielt hatte, schwang sich mit ihrer Stimme in ungeahnte Höhen empor.

Scheinbar mühelos meisterte die Diva die Schwierigkeiten der Koloratur, einer schnellen Abfolge von Tönen mit kurzen Notenwerten oft gleicher Länge. Die Virtuosität der bis dahin oft nur als Improvisation verwendeten Koloraturen steigerte sich im Spätbarock. Jener Epoche, aus der die in Berneck vorgetragenen Werke stammen.

Impressionen des Konzerts mit Jeanine De Bique Bild: Ulrike Huber
Bild: Ulrike Huber

Koloratur-Primadonnen

Jeanine de Bique stellte sich dabei mühelos in eine Reihe mit den grössten Koloratur-Primadonnen gestern und heute. Die berühmteste Koloraturarie ist übrigens jene der Königin der Nacht in Mozarts Meisterwerk «Die Zauberflöte», die aus dem Zeitalter der Klassik stammt und in der der Tonumfang ausgedehnt und die Obergrenze erreicht wurde.

Noch ein Wort zum Barockorchester «il prete rosso». Dieser 13-köpfige Klangkörper unter der musikalischen Leitung von Andreas Westermann spielte ebenfalls brillant. Man hörte und sah der Sopranistin Jeanine de Bique an, wie wohl sie sich mit dieser exzellenten Begleitung fühlte.

Klatschende Bekundungen seiner Zuneigung

Wohl gefühlt hat sich auch das Publikum, das die gezeigte stimmgewaltige Leistung mit langanhaltendem und zwei Zugaben forderndem stehenden Applaus würdigte und mit den klatschenden Bekundungen seiner Zuneigung die Primadonna sichtlich rührte. Ja, das war keine «Music-to-go», kein musikalisches Fast-Food, sondern ein opulentes Abendmenü. Eine Feinschmecker-Speise, der man sich nähern muss, für die es Zeit auch für die Verdauung braucht.

rheintal24/gmh/uh