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Rüthi
05.09.2020
07.09.2020 12:43 Uhr

Bildgewaltiges Theater mit grossartigen Darstellern

Anna Göldi (Simone Specker) steht vor ihren Richtern (Bilder: Ulrike Huber)
Anna Göldi (Simone Specker) steht vor ihren Richtern (Bilder: Ulrike Huber) Bild: Ulrike Huber
Freitagabend stand auf der Freilichtbühne Rüthi die Premiere des Dramas „Anna Göldi“ auf dem Programm. Ein Stück über eine starke Frau, die von Männern vernichtet wurde.

Die tragische Geschichte der Dienstmagd Anna Göldi, die 1782 als letzte Hexe der Schweiz im Glarus durch den Scharfrichter enthauptet wurde, ist eine wahre Geschichte. Das Leben einer schaffigen, aufrechten Frau, die bis zuletzt gegen Intrigen und Verleumdungen von Männern ankämpfen musste, die sie ausnutzten und sie opferten, um weitere Probleme von sich selbst fernzuhalten.

Des Kindesmordes verdächtigt

Als sie als unverheiratete Magd des Pfarrers in Sennwald ein totes Kind zur Welt bringt, wird sie des Kindesmordes verdächtigt und ohne jeden Beweis ihrer Schuld letztlich ausgepeitscht und an den Pranger gestellt. Über mehrere Arbeitsverhältnisse gelangt sie zuletzt nach Glarus, wo sie im Haushalt des Arztes, Fünferrichters und Ratsherren Johann Jakob Tschudi dient. Dort wird sie, vor allem auch durch die Frau des Jakob Tschudi verdächtigt, eine Affäre mit dem Hausherren zu haben. Und in der Milchtasse deren Tochter Anna Maria finden sich wiederholt Nadeln, was wiederum zur Beschuldigung führt, Anna Göldi wolle dem Kind Schlechtes. Sie wird entlassen und zieht zurück ins Rheintal.

Anna Göldi wird in Sennwald des Kindsmordes angeklagt und zu Peitschenhieben und Schandpfahl verurteilt. Bild: Ulrike Huber
Nicht einmal unter Folter lässt sich Göldi von der Wahrheit abbringen. Bild: Ulrike Huber
Nur wenige ihrer Mitmenschen spenden Anna Göldi Trost. Bild: Ulrike Huber

Per Steckbrief ausgeschrieben

 Als dann Anna Maria tatsächlich schwer erkrankt, wird Göldi per Steckbrief ausgeschrieben, von einem Lehrer verraten, zurück in den Glarus eskortiert, dort unter Folter befragt und letztlich in einem für heutige Begriffe unfassbaren kirchlichen Schandprozess wegen „Verderbung und Vergiftung eines Kindes“ verurteilt. Eine lange Geschichte des Scheiterns eines Menschenlebens. Und ein schwieriger Stoff für einen einzigen Theaterabend. Was aber durch den Autor und künstlerischen Leiter Kuno Bont zusammen mit den Regisseurinnen Elena Colaianni und Ivana Eggenberger grossartig gemeistert wurde. Freilich manchmal auf Kosten der Kurzweiligkeit der Inszenierung. Doch trotz der Dauer des Stücks von etwa drei Stunden, folgte das Publikum auf der ausverkauften und wegen Corona mit Abständen bestuhlten Tribüne dem Bühnengeschehen atemlos und voller Konzentration.

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Spektakuläre Inszenierung der Freilichtbühne Rüthi

Denn nicht nur die Geschichte des Stücks über das Leben der Anna Göldi ist spektakulär, sondern auch die Inszenierung der Freilichtbühne Rüthi, des grössten und traditionsreichsten Freilufttheaters des Kantons St. Gallen. Mehr als ein Dutzend Pferde, ein Esel, detailgetreue Kostüme und Bühnenbilder versetzten die Zuschauer in die Welt des 18. Jahrhunderts. Eine Zeit, in der die Aufklärung vorsichtig ihren Schatten vorauswarf. Eine Zeit, in der die Kirchen, die Pfarrer und anderen geistlichen Herren noch das Weltbild vorgaben. Und eine Zeit, in der die Männerwelt dominierte, ohne Widerspruch zu dulden. Verheiratete Frauen waren entweder noble Damen, Bürgersfrauen oder in Armut lebende Arbeiterfrauen. Ledige Frauen mussten sich in den ersten Fabriken, in Gasthäusern oder Haushalten als Dienstmagd verdingen. Und waren dort den Nachstellungen und Verleumdungen ihrer Dienstherren wehrlos ausgesetzt.

Ein rauschender Wildbach und eine Steinlawine

Grossartige Spezialeffekte wie Gewitter, ein rauschender Wildbach, eine Steinlawine, die mitten ins Dorf poltert, oder die Explosion und der Brand in einer Textilwerkstatt setzten immer wieder Akzente. Wie auch Szenen voller Wildheit und Kraft, als etwa ein gutes Dutzend Pferde mit ihren Reitern den steilen Hang im Hintergrund der Spielbühne hinaufhetzte. Immer wieder zogen alte Kutschen durch das mit Liebe zum Detail aufgebaute Theaterdorf. Es gelang den Machern hervorragend, die grosse Bühne immer in Bewegung zu halten. Mit über siebzig Schauspielern und Komparsen.

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Berührend, zart und mit grosser Stärke

Sie alle zeigten sehr gute Leistungen. Hervorstechend aber die Zürcher Schauspielerin Simona Specker, die die Rolle der Anna Göldi berührend, zart und dann wieder mit innerer und äusserer Stärke interpretierte. Simona Specker verstand es, die Szenerie zu beherrschen, die Blicke aller auf sich zu ziehen. Mit ihrer gottgegebenen Aura gab sie eine intensive und den Zuschauer zutiefst berührende Darstellung der von allem Glück verlassenen Dienstmagd. Alles in allem war die Premiere von „Anna Göldi“ der erwartete grossartige und eindrückliche Theaterabend. Die weiteren 14 Vorstellungen des Stücks auf der Freilichtbühne Rüthi sind unbedingt einen Besuch wert.

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