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Thal
25.09.2021
27.09.2021 09:47 Uhr

Bürogeplauder: «Verwaltung ist eine komplett andere Welt»

Felix Wüst, nur noch wenige Tage Gemeindepräsident von Thal
Felix Wüst, nur noch wenige Tage Gemeindepräsident von Thal Bild: Ulrike Huber
Rheintal24 redet in unregelmässigen Abständen unter dem Titel «Bürogeplauder» mit den wichtigen Persönlichkeiten des Rheintals. So auch mit Felix Wüst, dem scheidenden Gemeindepräsidenten von Thal.

Unser «Bürogeplauder» fand dieses Mal nicht im Büro statt. Denn unser Gesprächspartner Felix Wüst hat sein Büro im Rathaus Thal bereits geräumt. Nur zwei Jahre lang führte Felix Wüst als Gemeindepräsident die Geschäfte der Gemeinde Thal. Aber schon nach gut einem Jahr hatte er festgestellt, dass dies nicht seine Welt ist und kündigte im Januar dieses Jahres seinen Rücktritt per Ende September an. Warum der schnelle Rückzug?

«Als selbständiger IT-Fachmann, tätig als Firmenchef einer Beratungsunternehmung, kam ich aus der Privatwirtschaft und tauchte in eine völlig neue Welt ein. Die öffentliche Verwaltung, deren Arbeits-und Vorgangsweisen stehen in vielen Belangen unterschiedlich zur Privatwirtschaft. Dort steht man nicht sieben Tage die Woche und jeden Tag 24 Stunden in der öffentlichen Wahrnehmung, wie man das als Gemeindepräsident tut. Da haben viele Faktoren für mich nicht gestimmt. Da war für mich klar, dass ich einen anderen Weg gehen muss.»

Felix Wüst hat sein Büro im Rathaus in Thal schon geräumt Bild: Ulrike Huber

Es ist in Thal immer wieder zu hören, dass das Arbeitsklima im Gemeinderat nicht gepasst haben soll und dass sich einige der Gemeinderäte immer wieder gegen Felix Wüst gewendet haben sollen.

«Über die Dinge, die im Gemeinderat gelaufen sind oder nicht, erzähle ich nichts. Das ist nicht mein Stil.»

Felix Wüst ist also aus eigenem Entschluss aus seinem Amt ausgeschieden. Obwohl er in den beiden Jahren seines Wirkens doch einige Dinge umsetzen konnte.

«Die Renovation des Alterheims wurde in der Abstimmung vom Stimmvolk angenommen. Gerade jetzt wird über die Neugestaltung der Dorfstrasse in Altenrhein abgestimmt. Der Wärmeverbund Buriet wurde geschaffen und die Perimeter der Bäche werden abgeschafft. Das waren so einige Highlights meiner Tätigkeit. Natürlich, da gibt es noch viele mehr. Und wir hatten den schönsten Christbaum weit und breit, so wie es aus den Rückmeldungen der Bevölkerung zu entnehmen war. Viele Touristen und sonstige Leute aus Nah und Fern sind letzten Advent gekommen, um sich dieses Lichtwunder anzusehen. Ein schöner Weihnachtsbaum gehört doch einfach zum Christfest dazu.»

Ein tiefenentspannter Felix Wüst im Gespräch mit rheintal24 Bild: Ulrike Huber

Ein weiteres Highlight war die Tatsache, dass Wüst als Gemeindepräsident den Empfang von Olympiasiegerin Jolanda Neff leiten und die erfolgreiche Mountainbike-Goldmedaillengewinnerin begrüssen durfte.

«Ja, das war schon ein ganz spezielles Ereignis. Auch weil ich am Vormittag wegen der unsicheren Witterung entscheiden musste, ob wir den Empfang mit den vielen hunderten Gästen draussen oder drinnen machten sollten. Ich habe klar gesagt, es wird und bleibt schön, das Wetter wird halten. Jedenfalls bis neun Uhr abends, dann kann es regnen. Und genauso ist es gekommen, auch wenn es in der Umgebung schon eine Stunde vorher stark geregnet hat. Weiters konnten wir der Olympiasiegerin zu Ehren ja auch noch den Jolanda-Neff-Weg einweihen.»

Eines der Highlights der Zeit als Gemeindepräsident war der Empfang für Olympiasiegerin Jolanda Neff Bild: Ulrike Huber

Die Amtszeit des scheidenden Gemeindepräsidenten fiel zu einem guten Teil in die Coronapandemie. Wo der Geschäftsverkehr in der Verwaltung unvermindert weitergelaufen ist. Aber mit stark vermindertem Parteienverkehr und Homeoffice.

«Aus meiner Amtszeit werde ich gute Verbindungen und Erinnerungen mitnehmen. Ich habe sehr gute Leute kennengelernt. Diese Bindungen werden auch in Zukunft halten. Ich habe gelernt, wie die öffentliche Verwaltung funktioniert und was ich in die Privatwirtschaft mitnehmen kann. Gerade die IT, mein Fachgebiet, erfuhr während der Pandemie einen grossen Wandel der Digitalisierung im Kanton St.Gallen und in den Gemeinden, welche bereits gut aufgestellt sind. Das ist sehr wichtig und hat der Digitalisierung einen richtigen Schub gegeben. Das grosse Vorbild für eine moderne Verwaltung ist für mich auch der baltische Staat Litauen, wo es bereits Work-flow bis zum papierlosen Büro gibt und die Geschäfte mit den Bürgern weitestgehend digital abgewickelt werden. Das ist die Zukunft, dahin entwickelt sich die Menschheit seit den Steintafeln über Papyrus, Pergament und Papier. Hin zu den Bits und Bytes. Wir sind doch wahrscheinlich die letzte Generation, die noch analog aufgewachsen ist.»

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Der 57-jährige Felix Wüst macht beim Interview einen tiefenentspannten Eindruck. Die Geschäfte wurden sukzessive an zuständige Stellvertreter übergeben, damit er die ihm restlich zustehenden Ferien beziehen kann. Auch seine Rückkehr in die Privatwirtschaft will vorbereitet sein.

«Mich erwartet eine höchst spannende Sache. Mit meiner Firma, bieten wir Beratung und Consulting rund um die Sicherheit in der IT, cloudbasierte Arbeitsformen sowie Recovering von Daten an. Das geht soweit, dass wir im Auftrag von Kunden, ihre IT-Systeme ethisch hacken, um Sicherheitslücken und Schwachstellen aufzudecken. Und jetzt kommt der nächste Schritt: Wir erweitern gerade ein Rechenzentrum in einer atomsicheren Umgebung, irgendwo in den Schweizer Alpen mit höchsten Sicherheitsvorkehrungen. Dieses befindet sich in einem faradayschem Käfig, welches die Rechner und Datenspeicher vor Gefahren schützt, auch vor schweren Sonnenstürmen. Die Daten und auch physische Datenträger, welche eingelagert werden können, sind dort nach menschlichem Ermessen absolut sicher. An diesen Ort können selbstverständlich auch jederzeit Online-Backups in zig Varianten zur Sicherung übertragen werden. Gerade die steigenden Zahlen zum Beispiel bei Angriffen von Ransomware, die Verschlüsselungstrojaner, machen diesen Service immer beliebter, um im Notfall auf eine intakte Datenkopie zurückgreifen zu können. Eine autarke Notstromversorgung ist selbstverständlich. Produktiv geht’s nun weiter!»

Endlich wieder Zeit für das Wandern auf grossen Touren Bild: zVg

Nach seiner Zeit bei der Gemeinde kann Felix Wüst auch wieder seinen Hobbys nachgehen. Dem Wandern auf richtig grossen Touren, dem Grillen mit Holzkohle auf verschiedenen Öfen, vom Keramikgrill bis zum simplen Rost. Und er wird auch ab und zu wieder eine Partie Tennis spielen können und wieder mehr Zeit mit seiner Frau haben, um gemeinsame Aktivitäten und Ferien zu geniessen. Aber nochmals zurück zur Gemeinde. Was sagt der Gerade-Noch-Gemeindepräsident zu den seltsamen Vorgängen um die Suche seines Nachfolgers durch eine Findungskommission?

«Ich bin noch Gemeindepräsident. Deshalb kann und will ich mich zu den Vorgängen rund um meine Nachfolge nicht äussern.

Eines ist mir wichtig: Ich habe mich in meiner Amtszeit nie verstellt und war erfreut, wenn mich die Bürgerinnen und Bürger im Büro besuchten. Meine Türe waren für ihre Anliegen immer offen. Ich bin der Felix Wüst und kein anderer. Auch wenn das einigen in Thal nicht gepasst hat.»

rheintal24/gmh/uh