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Heiden
08.05.2021
19.06.2024 14:49 Uhr

Aus Heiden in die Welt

On-Mitgründer Olivier Bernhard
On-Mitgründer Olivier Bernhard Bild: On
Duathlon-Weltmeister und Ironman-Gewinner Olivier Bernhard aus Heiden ist Mitgründer der Kult-Schuhmarke «On», an der Roger Federer beteiligt ist und die sensationelle Erfolge rund um den Globus feiert. rheintal24 hat mit Bernhard gesprochen.

Neben dem Gasthaus Aescher ist ein weiteres Produkt aus dem Appenzellerland heute weltbekannt: die Schuhmarke «On». Der dreifache Duathlon-Weltmeister und mehrfache Ironman-Gewinner Olivier Bernhard aus Heiden ist Mitgründer der Schuhmarke, die im Januar 2010 gegründet wurde. Nur einen Monat später gewannen die Prototypen bereits einen ISPO BrandNew Award, eine der wichtigsten Auszeichnungen für innovative Sportartikel. Seitdem ist On eine der schnellst wachsenden Laufschuhmarken überhaupt. Ende 2019 stieg Roger Federer als Investor ein; die Marke feiert zurzeit Erfolge rund um den Globus. Im Gespräch verrät Olivier Bernhard, was On unvergleichbar macht und wieso er überhaupt neue Laufschuhe entwickeln wollte.

Olivier Bernhard, Sie gehörten lange zu den weltbesten Triund Duathleten und gewannen unzählige Titel. Was war an den damaligen Laufschuhen nicht gut, dass Sie sich entschlossen hatten, einen eigenen Schuh zu entwickeln?
An den bestehenden Laufschuhen war grundsätzlich nichts falsch. Doch als Profisportler verbrachte ich sehr viel Zeit in Laufschuhen und habe mir immer wieder Gedanken dazu gemacht, wie man das Lauferlebnis intensivieren und ich meine Passion fürs Laufen über ein differenziertes Laufgefühl an mehr Personen herantragen könnte. Zudem war ich lange erfolglos auf der Suche nach einem Schuh, der den Fuss nicht nur einfach einschliesst und limitiert, sondern den Körper dort unterstützt, wo er es braucht, aber andererseits ihm die Freiheiten gewährt, um seine Stärken voll auszuspielen. Da es das in meinen Augen noch nicht gab, habe ich mich halt entschlossen, selber Laufschuhe zu entwickeln.

Und wie geht man an so eine Entwicklung heran?
Da wir uns im Laufen und Gehen nicht ausschliesslich hüpfend an Ort und Stelle bewegen, habe ich mich als Läufer immer gewundert, weshalb Laufschuhe sich nicht stärker dem Abfedern der horizontalen Kräfte annehmen. Also eine Technologie, die anstelle des abrupten Stopps beim Aufprall ein Hineingleiten ermöglicht und die Kräfte über Zeit und Weg abdämpft. Zu Beginn boten Stücke aus Gartenschläuchen die idealen Eigenschaften, um diese Idee zu testen. Wir gingen völlig pragmatisch und iterativ an die Sache heran. Die ersten Prototypen waren an der Unterseite mit zurechtgeschnittenen Gummi-Elementen versehen. Die Tests waren so vielversprechend und ermutigend, dass wir die Idee weiterverfolgten, bis wir letztlich einen richtigen Laufschuh in den Händen hielten.

Sie haben es also geschafft, ein einzigartiges Laufgefühl zu kreieren?
Ja. Praktisch jeder Mensch, der zum ersten Mal in einen OnSchuh schlüpft, wird spüren, dass es sich anders anfühlt. Das ist eine Art Heureka-Moment, der sich herumspricht und viele Menschen motiviert, unsere Produkte auszuprobieren und schlussendlich in ihren Trainingsalltag einzubetten. Ausserdem gefällt den Leuten die Reduktion des Designs auf ein Minimum. On entwickelt Schuhe und Bekleidung immer unter einem technischen und praktischen Aspekt. Jedes Detail an unseren Produkten erfüllt eine Funktion.

2019 stieg Roger Federer als Investor bei Ihnen ein. Wie kam es dazu?
Roger war schon vor seiner Beteiligung von unseren Produkten überzeugt. Ausserdem teilen wir ähnliche Werte und Ideale. Perfektion, der stete Willen alles zu geben, um noch besser zu werden und sich nie auf dem Erreichten auszuruhen sind nur drei Beispiele von Attributen, welche Roger und On erfolgreich machen. Wir hatten 2018 in einem SocialMedia-Beitrag gesehen, dass er unsere Schuhe immer öfter trägt. Also entschieden wir drei Gründer, uns persönlich mit einer Karte bei ihm zu bedanken. In der Folge kam es auf seine Initiative hin zu einem ersten Treffen im Herbst 2018. Seither ist enorm viel passiert und wir sehen uns regelmässig, um seine Sneakers und Wettkampfschuhe weiter zu entwickeln.

Aber was genau zeichnet die On-Schuhe aus?
Gedämpfte Landung, kraftvoller Abstoss. Das ist die Essenz von Cloudtec, unserer weltweit patentierten Technologie. Wir sind bestrebt, unsere Produkte immer weiter zu verbessern und weitere Zielgruppen den Zugang zu unseren Produkten zu ermöglichen. Dabei arbeitet unser Team in Zürich eng mit On-Athleten zusammen. Auch Endkonsumenten und Händler geben unserem Entwickler-Team wertvolles Feedback, das wir kontinuierlich implementieren. Natürlich arbeitet das Team auch an den Materialien, welche die Performance unserer Technologie noch weiter unterstützen und nachhaltiger sind als herkömmliche Materialien. Noch dieses Jahr lancieren wir einen Performance-Schuh, der zu 100 Prozent recycelbar ist: Cyclon – der erste Schuh, den man nicht mehr besitzen wird. Denn nur, wenn der gebrauchte Schuh zurückgeschickt wird, bleibt die Recycling-Schleife gewährleistet.

On wäre also nicht so erfolgreich, wenn Sie nicht eine einzigartige Technologie in Ihre Schuhe verbauen, sondern nur ein geschicktes Marketing betreiben würden?
Absolut! So gesehen ist es für On unerlässlich, weiterhin viel Energie in Innovationen für Schuhe und Bekleidung zu stecken. Nach wie vor unterstützen uns zahlreiche WeltklasseAthleten bei der Entwicklung der nächsten Generation von innovativen Produkten. So war On auch in Bezug auf die Integration von Flexplatten – wir nennen sie Speedboards – Vorreiter. Seither hat die Laufschuhindustrie den Verbau solcher Platten vor allem in Wettkampfschuhen vorangetrieben. In wenigen Monaten bringt On übrigens einen neuen Wettkampfschuh auf den Markt, auf den ich mich persönlich sehr freue. Dieser Schuh entspricht dem aktuellen Trend in der Branche und wird an zahlreichen Füssen an den Olympischen Spielen in Tokyo zu sehen sein.

Zu einen gewissen Grad profitieren Sie aber auch vom Laufboom, der sich als Folge vom ersten Shutdown im Frühling 2020 entwickelt hat.
Klar. Gleichzeitig ist On’s Technologie und Designsprache aber etwas komplett Neuartiges. Zudem haben sich bereits in den letzten Jahren die Grenzen zwischen Arbeits- und Alltagskleidung mehr und mehr verwischt, und durch das Arbeiten von Zuhause hat sich dieser Trend weiter verstärkt. On trifft mit seinem schlichten Design und dem hohen Komfort der Schuhe und Bekleidungsteile den Zeitgeist. Die neue Generation sucht nach einem Laufschuh, den sie auch im Alltag verwenden kann – egal, ob beim Sport, der Arbeit oder sogar im Ausgang –, der gut aussieht und bequem ist.

Sie testen die Schuhe immer selbst im Alpstein, bevor sie auf den Markt kommen. Wieso gerade dort?
Ich liebe das Appenzellerland für seine intensive und dennoch liebliche und abwechslungsreiche Natur. Hier bin ich zu einem Weltklasse-Athleten gereift, und nun darf ich dasselbe Umfeld für das Testen unserer Prototypen verwenden. Der Kreis schliesst sich. Dabei ist der Alpstein das ultimative Testgelände. Hier finde ich über den Säntis bis hin zur Bollenwees ideale Herausforderungen, um alle unsere Produkte unter ganz differenzierten und sich immer wieder verändernden Voraussetzungen zu testen.

Bild: On

Sie sind vom Sportler zum Unternehmer geworden. Inwiefern hilft Ihnen hier Ihre Erfahrung als Spitzensportler?
Im Grunde genommen bin ich ein Unternehmer, der alles mit einem Mindset eines Spitzensportlers anpackt. An Ausdauer, Beharrlichkeit und Risikobereitschaft wird es mir somit nie fehlen. Als Sportler lernt man, im Jetzt und bei sich zu sein. Diese Fähigkeit hilft mir im Geschäftsalltag, mich immer wieder auf das Essentielle zu fokussieren und dabei den Ausgleich nicht zu vernachlässigen. Geduld war nie meine Stärke, doch als Sportler habe ich gelernt, dass stetes und diszipliniertes Training mich meinem grossen Ziel und meinen Träumen schrittweise näherbringen. Diese und Menschen um mich herum zu motivieren, das Unmögliche zu vollbringen, sind wohl meine beiden wertvollsten Tugenden aus der Sportzeit.

Und wie ist Ihr Bezug zum Appenzellerland heute?
Wir sind nach Heiden gezogen, als ich 13 Jahre alt war. Anfangs war es schwierig zu akzeptieren, dass es hier keinen Leichtathletik-Club oder eine 400-m-Bahn gab. Doch dadurch habe ich gelernt, neue Pfade zu beschreiten. Das Appenzellerland ist meine Heimat und ich wohne sehr gerne hier, auch wenn ich einige Tage pro Woche im On-Lab in Zürich-West arbeite. Ich schätze Zürich und seinen Puls, aber bin auch ganz froh, wenn ich wieder zu Hause in der Natur bin.

Inwiefern müsste sich der Wirtschaftsraum Appenzellerland verändern, dass Sie das On-Hauptquartier in Ihre Heimat verlegen würden?
Wir führen jeden Monat Produkte-Workshops in Heiden durch. Dabei treffen sich Innovation, Design, Biomechanik, Entwicklung und sogar Teile des Marketings, um gemeinsam neue verrückte Ideen auszuhecken und Wege zu finden, unsere Läuferschaft mit einem nächsten aussergewöhnlichen Laufgefühl zu überraschen. Vieles davon passiert immer noch in einer Schreinerei, da wir hier die idealen Maschinen und Werkzeuge vorfinden. Was dabei entsteht, nennen wir liebevoll «Monster». Diese durchlaufen dann in unserem Labor in Zürich einen weiteren «Waschgang», um sie zu lauffähigen Prototypen zu verbauen.

Olivier Bernhard ist Mitgründer der Schuhmarke On. Der Ostschweizer zählte zu den weltbesten Tri- und Duathleten. Er war etwa Duathlon-Langdistanz-Weltmeister 1994, 1996, 1998, 1999, 2000, 2001, 2002 und 2004 sowie mehrfacher Ironman-Sieger (1998, 2002, 2003). Für die Gründung von On holte Bernhard zwei weitere Mitstreiter ins Boot, David Allemann und Caspar Coppetti. Im Januar 2010 gründeten sie die Schuhmarke On. Ende 2019 stieg Roger Federer als Investor ein. On beschäftigt mittlerweile rund 830 Personen weltweit. 

Dieser Text von Tanja Millius ist aus der LEADER Ausgabe April 2021. Die LEADER-Herausgeberin MetroComm AG aus St.Gallen betreibt auch rheintal.ch.

leaderdigital.ch/Tanja Millius