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St. Margrethen
22.02.2021
25.02.2021 06:56 Uhr

Konkursiter Zahnarzt verschickt Zahlungsbefehle

In dieser Liegenschaft in St.Margrethen praktizierte L. ab 2008.
In dieser Liegenschaft in St.Margrethen praktizierte L. ab 2008. Bild: rheintal24
Die 2019 Konkurs gegangene Zahnheilkunde Zentrum Rheintal AG mit Sitz in St.Margrethen verschickt aktuell Zahlungsbefehle an ehemalige Patienten. Pikant: Die Forderungen werden über eine Dritt-Gesellschaft gestellt, welche von der Ehefrau des Zahnarztes kontrolliert wird.

Der Reihe nach: Das deutsche Ehepaar L./M. (Namen der Redaktion bekannt) übernahm 2008 eine Liegenschaft mit bestehender Zahnarztpraxis in St.Margrethen. Der Start gelang, die Frequenz, mitunter auch durch die Patientenübernahme des Vorgängers, war auf gutem Niveau. 2013 begannen dann die Probleme: Auf Direktive des St.Galler Gesundheitsdepartements durfte L. keine schulzahnärztlichen Untersuchungen und Behandlungen mehr vornehmen. Was war passiert?

Primär ging es um die Beschwerde einer Mutter, die nach einer schulzahnärztlichen Kontrolle Ihrer Tochter einen Kostenvoranschlag für eine Behandlung mit Zahnfüllung erhalten und bei einem Kieferorthopäden eine Zweitmeinung eingeholt hatte. Dieser Kieferorthopäde kam gemäss «Rheintaler» zu einem anderen Schluss und hat die von L. vorgeschlagene Behandlungsmethode als falsch eingestuft. Ein vom Gesundheitsdepartement beauftragter Gutachter liess ein Röntgenbild anfertigen und schloss sich der Meinung des Kieferorthopäden an. Ein effektiver Behandlungsfehler konnte L. in diesem Fall nicht nachgewiesen werden.

Entzug der Berufsausübungsbewilligung und administratives Chaos

Die Karriere von L. war damit auf schulzahnärztlicher Ebene zwar vorbei, als praktischer Zahnarzt allerdings durfte er weiter praktizieren. 2015 dann der nächste Einschnitt: Gemäss Rechtsdienst des Gesundheitsdepartements wurde L. damals die Berufsausübungsbewilligung entzogen. Der Entzug wurde 2017 vom Verwaltungsgericht bestätigt und ist seither rechtskräftig.

Im Patientenumfeld von L. rumorte es schon länger: Überhöhte Rechnungen und Abrechnungen, die erst Jahre später gestellt und demzufolge nicht mehr nachvollziehbar waren, verärgerten die Patienten. Viele bestritten daraufhin die Rechnungen und zahlten gar nicht oder nur teilweise. Die Liquiditätssituation von L. verschärfte sich zunehmend. Dazu ein Betroffener: «Wir haben vier Jahre nach der ersten Behandlung eine Gesamtrechnung von mehreren 10'000 Franken erhalten. Wir haben rund 80 Prozent dieser Forderungen beglichen, obwohl diese teilweise schwierig nachzuvollziehen waren. Bei unserer Tochter führte L. eine Wurzelbehandlung durch. Eine Nachkontrolle fand nicht statt und es bildete sich eine Zyste, die von einem Kieferorthopäden operativ behandelt werden musste. Aus diesem Grund und aufgrund der nicht mehr möglichen Nachvollziehbarkeit der Rechnungen haben wir 7'000 Franken der Forderung bestritten. Dies haben wir auch gegenüber dem Sachwalter im März 2017 so kommuniziert.»

Die von M. kontrollierte EST erscheint auch auf den Zahlungsbefehlen. Bild: zVg

Am 26. April 2018 wurde über die Zahnheilkunde Zentrum Rheintal AG das Konkursverfahren eröffnet. Der vom Konkursamt eingesetzte Sachwalter versuchte anschliessend, in einem Nachlassverfahren allfällige Rechtsansprüche im Namen der AG einzutreiben. Nach Abschluss des Konkursverfahrens und wurde die Gesellschaft am 22. Juli 2019 von Amtes wegen gelöscht.

In der Zwischenzeit haben L. und M. die Schweiz verlassen und leben wieder in Deutschland. Dies hinderte die beiden nicht daran, Zahlungsbefehle an ehemalige Patienten zu verschicken. Und jetzt wird es spannend: Als Gläubigervertreter tritt heute eine Firma EST Executive Search & Trade GmbH mit Sitz in St.Gallen in Erscheinung. Einzig eingetragene Gesellschafterin: M., die Ehefrau von L.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass in einem Konkursverfahren offene Forderungen an Drittgesellschaften verkauft werden. Rheintal24 hat bezüglich diesem Fall beim Konkursamt nachgefragt: «Bei Konkursverfahren kommt es immer wieder vor, dass das Konkursamt bestrittene oder schwer einbringliche Debitoren vorfindet. Bei einer solchen Konstellation kann bei einer vollständigen Durchführung des Konkursverfahrens eine Abtretung von Rechtsansprüchen (SchKG Art. 260) an Gläubiger bzw. ein Verkauf an Dritte stattfinden. Die vorgenommene Abtretung am 23. April 2019 erfolgte nicht an die von Ihnen erwähnte Firma EST. Was nach diesem Datum von der Abtretung geschehen ist, passierte nicht mehr unter der Federführung vom Konkursamt».

Das Konkursamt bestätigt damit, dass von ihrer Seite kein Verkauf der Forderungen an die von M. kontrollierte EST Executive Search & Trade GmbH stattgefunden hat. Auf welcher rechtlichen Basis aktuell Zahlungsbefehle von der GmbH verschickt werden, ist völlig unklar. So oder so kann man davon ausgehen, dass viele dieser Forderungen mittlerweile verjährt sind.

Den Betroffenen ist zu raten, umgehend Rechtsvorschlag zu erheben.

 

 

rheintal24
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