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Au
18.11.2025

«Schwerer Eingriff in Gemeindeautonomie»

Die IG Gegenwind Au-Heerbrugg reagiert mit deutlicher Kritik auf die Absicht des Kantons St.Gallen, die von den Stimmbürgern angenommene Abstandsinitiative nachträglich als nicht genehmigungsfähig zu erklären.
Die IG Gegenwind Au-Heerbrugg reagiert mit deutlicher Kritik auf die Absicht des Kantons St.Gallen, die von den Stimmbürgern angenommene Abstandsinitiative nachträglich als nicht genehmigungsfähig zu erklären. Bild: leaderdigital.ch
Die IG Gegenwind Au-Heerbrugg reagiert mit deutlicher Kritik auf die Absicht des Kantons St.Gallen, die von den Stimmbürgern angenommene Abstandsinitiative nachträglich als nicht genehmigungsfähig zu erklären. Die Interessengemeinschaft sieht darin einen gravierenden Eingriff in die demokratischen Rechte der Gemeinde Au und warnt vor einer gefährlichen Signalwirkung für den gesamten Kanton.

Die IG Gegenwind Au-Heerbrugg nimmt mit Entrüstung zur Kenntnis, dass der Kanton St.Gallen die von den Stimmbürgern in einer demokratischen Abstimmung angenommene Abstandsinitiative nachträglich als nicht genehmigungsfähig erklären will, weil angeblich die Rechtsgrundlage fehle. Diese Begründung sei nicht nachvollziehbar.

Die geplante SFS-Windkraftanlage befinde sich in der kommunalen Bauzone. Nach kantonalem Recht seien die Gemeinden gemäss Art. 1 des Planungs- und Baugesetzes für Ortsplanung, Zonenplan und Baureglement zuständig.

Wenn Gemeinden diverse Bauabstände wie Grenz- und Gebäudeabstände, Baulinien, Wege- und Strassenabstände, Sicherheitsabstände, Waldabstände oder Gewässerabstände erlassen dürfen, sei nicht ersichtlich, warum sie nicht auch Abstände zu Windkraftanlagen festlegen können sollten.

Die Abstandsinitiative sei vom Kanton in der Vorprüfung bei der Einreichung noch als gültig beurteilt worden. Auch in anderen Gemeinden – darunter Wattwil, Au und Sevelen – seien Abstandsinitiativen bisher als gültig erklärt worden, ebenso wie in zahlreichen Fällen im Kanton Zürich.

Bundesgericht bestätigt: Gemeinden dürfen Mindestabstände festlegen

Das Bundesgericht habe im Urteil 1C_149/2021 (Fall Tramelan) eindeutig bestätigt, dass Gemeinden Mindestabstände zwischen Windenergieanlagen und bewohnten Gebäuden in ihren Bau- und Zonenordnungen festlegen dürfen.

Die Einschätzung des Kantons St.Gallen stehe somit im direkten Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung. Ein funktionierender Rechtsstaat setze voraus, dass Bundesgerichtsurteile respektiert und angewendet werden.

Willkür statt Verlässlichkeit und Rechtssicherheit

Nach positiver kantonaler Vorprüfung und Gültigkeitserklärung durch die Gemeinde habe das Initiativkomitee erhebliche Zeit, finanzielle Mittel und personelle Ressourcen investiert.

Die Stimmbürger hätten am 9. Februar 2025 klar entschieden. Die nun erfolgte Kehrtwende des Kantons stelle einen schwerwiegenden Eingriff in die Gemeindeautonomie dar und werfe grundlegende Fragen zur Verlässlichkeit kantonaler Verfahren und zur Rechtssicherheit auf.

Fragwürdige Signalwirkung für Gemeinden im ganzen Kanton

Der Kanton St.Gallen forciere den massiven Ausbau der Windenergie mit 92 geplanten Windkraftanlagen in 17 Eignungsgebieten gemäss Richtplan. Die Schweiz sei jedoch eine Demokratie, und die Gemeindeautonomie bilde eine tragende Säule des politischen Systems. Auch der Kanton St.Gallen müsse sich an demokratische Spielregeln halten.

Anstatt die Entscheidung der Gemeinde Au zu respektieren, vermittle der Kanton mit seiner Kehrtwende das Signal, dass Volksabstimmungen ausgehebelt werden könnten, wenn das Ergebnis politisch nicht passe.

Dieses Vorgehen wirke irritierend, willkürlich und politisch motiviert. Es untergrabe das Vertrauen in Rechtsstaat und Demokratie. Wenn demokratisch legitimierte Abstandsregeln ohne sachliche Grundlage verworfen würden, betreffe dies nicht nur Au, sondern alle Gemeinden, die ihre Siedlungsentwicklung eigenständig gestalten möchten.

Das politische Motiv des Kantons sei offenkundig: Abstandsinitiativen sollten von vornherein verunmöglicht werden, damit es nicht zu Volksabstimmungen über Windparkprojekte komme. Solche Abstimmungen sollten mit allen Mitteln verhindert werden.

Energiepolitik darf lokale Demokratie nicht aushebeln

Vor der Abstimmung zur Energiestrategie 2050 sei der Bevölkerung zugesichert worden, dass Gemeinden über Windenergieanlagen selbst bestimmen könnten. Bundesrat Albert Rösti habe versprochen: «Wenn eine Gemeinde kein Windrad will, dann kriegt sie auch keines.»

Wenn nun trotz eines klaren Volksentscheids versucht werde, lokale Entscheidungen auszuhebeln, sei dies antidemokratisch und untergrabe das Vertrauen in Verfahren, Behörden und politische Versprechen.

IG prüft rechtliche und politische Schritte

Es sei nicht das erste Mal, dass das Bau- und Umweltdepartement rechtswidrig handle. Der Kanton sei bereits vom Verwaltungsgericht verurteilt worden, weil er der IG die Herausgabe der SFS-Machbarkeitsstudie in der Vernehmlassung zu Unrecht verweigert habe.

Die IG werde alles unternehmen, um die Gültigkeit des Volksentscheids durchzusetzen. Gemeinden müssten das Recht haben, über Abstände und die Lebensqualität ihrer Einwohner selbst zu entscheiden.

Die IG fordert von der Gemeinde Au, die Verweigerung der kantonalen Genehmigung – sobald ein definitiver Bescheid vorliegt – rechtlich anzufechten. Entsprechende Gespräche seien im Gang. Von der SFS fordert die IG, den Willen des Souveräns zu akzeptieren und das Gesuch endgültig zurückzuziehen.

Für die IG ist klar: Es gehe nicht um ein einzelnes Projekt, sondern um die grundlegende Frage, ob Gemeinden in St.Gallen ihre demokratischen Rechte weiterhin wahrnehmen dürfen. Die IG setze sich dafür ein, dass die Stimme der Bevölkerung respektiert werde – heute und in Zukunft.

Deshalb unterstützt die IG auch die Eidgenössische Gemeindeschutzinitiative von Freie Landschaft Schweiz, welche fordert, dass die Bevölkerung der betroffenen Gemeinden über Windparks abstimmen kann.

pd/ako
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