Diese Einschätzung teilt auch Andrea Cristuzzi von der Geschäftsleitung der Cristuzzi-Gruppe in Widnau: «Weiterhin ist im Rheintal eine hohe Nachfrage nach Einfamilienhäusern zu beobach-ten – vorzugsweise Objekte in ruhigen, grünen und gut angebundenen Lagen. Stockwerkeigentum (insbesondere Attika- oder Gartenwohnungen) ist ebenfalls gefragt, hauptsächlich bei kleineren Haushalten oder als Startwohnung für junge Familien.» Auch ältere Eigentumswohnungen seien wieder gefragter – hier erhält man oft zu günstigeren Preisen Objekte mit Potenzial. Beim Ausbaustandard würden moderne und energieeffiziente Immobilien bevorzugt, da diese langfristig niedrigere Nebenkosten versprechen, so Cristuzzi. «Gerade nach den Energiepreissteigerungen der letzten Jahre achten Käufer stärker auf Dämmung, Heizung und nachhaltige Bauweise.»
Matthias Hutter, CEO der Casainvest Rheintal AG in Diepoldsau, stösst ins gleiche Horn: «Generell ist die Nachfrage nach Wohneigentum nach wie vor vorhanden.» Gegenüber vor ein paar Jahren habe sie allerdings abgenommen – wenngleich die jüngste Zinssenkung wieder für etwas Belebung sorge. «Der Traum vom Einfamilienhaus besteht weiter, wobei dieser für die Mehrheit kaum erschwinglich ist», gibt Hutter zu bedenken.
Daher stehen Eigentumswohnungen hoch im Kurs – vorrangig Neubau-Wohnungen, bei denen die Käuferschaft von Anfang an mitgestalten kann. «Bestandsobjekte, genauer gesagt ältere Eigentumswohnungen, stehen vermehrt unter Druck und müssen sich preislich deutlich von Neubauten abheben», sagt Hutter. Der verlangte Ausbaustandard sei auch hier hoch; die Interessenten erwarten etwas für die verhältnismässig hohe Preisbasis. Geografisch ist nach wie vor das Mittelrheintal am beliebtesten, da hier alle relevanten Infrastrukturen nahe beisammen liegen. «Allerdings weichen Interessenten immer öfter auch auf umliegende Gemeinden aus, da die Preise dort grundsätzlich etwas tiefer angesetzt werden.»
Verkehrsanbindung zählt
Bei Mietobjekten sind vorwiegend Wohnungen an zentralen Lagen mit guter Verkehrsanbindung sehr gefragt, weiss Andrea Cristuzzi. Die Grösse der Wohnungen variiert je nach Zielgruppe: Kleinere Ein- bis Zwei-Zimmer-Wohnungen sind besonders bei Singles und Paaren beliebt, während Familien eher nach grösseren Drei- bis Vier-Zimmer-Wohnungen, idealerweise mit Gartenanteil, suchen.
«Ein hoher Ausbaustandard mit modernen Küchen und Bädern sowie ein Balkon oder Garten sind oft entscheidende Faktoren für potenzielle Mieter, heutzutage eigentlich bei allen Objekten im mittleren bis höheren Preissegment Standard», sagt Cristuzzi. Aber: «Eine weiterhin konstant hohe Nachfrage sehen wir auch nach Mietwohnungen im unteren Preissegment.»
Aufgrund der ausgetrockneten Marktverhältnisse seien praktisch alle Mietwohnungen äusserst begehrt, bestätigt Roger Stieger diesen Eindruck. Die Interessenten seien zwar gewillt, höhere Mieten zu bezahlen, «verlangen dafür aber auch bessere Ausbaustandards und ebenfalls schöne grosse Aussenräume». Stieger weist auf einen weiteren Punkt hin: «Gefragt sind nachhaltig gebaute Liegenschaften, bei denen die Heizkosten tief gehalten werden können.» Mit den gestiegenen Energiepreisen der jüngeren Vergangenheit achten Mieter verstärkt auf die Gesamtkosten ihrer Wohnung, was energieeffiziente Gebäude attraktiv macht.
Auch Matthias Hutter sieht das Preis-Leistungs-Verhältnis als entscheidend: «Wir spüren eine relativ grosse Preissensitivität; die Veränderungsbereitschaft ist gestiegen.» Nebst qualitativen Merkmalen spielen vermehrt auch die Nebenkosten eine Rolle; wegen gestiegener Energiekosten fallen diese stärker ins Gewicht. «Die Mieterschaft macht heute eine Gesamtkostenbetrachtung mit Nettomiete und Nebenkosten.»
Nachfrage höher als Angebot
Das Angebot im Rheintal kann den Bedarf weiterhin nicht decken; die Nachfrage übersteigt das Angebot deutlich und wird durch Zuwanderung sowie demografische Veränderungen stark gestützt. Da kommt die Bautätigkeit nicht nach. «Primär bei Neubau-, aber auch Umbauprojekten wird für Planung, Bewilligung und Ausführung immer mehr Zeit benötigt – nicht zuletzt aufgrund komplexer Auflagen und Einsprachemöglichkeiten», sagt Matthias Hutter.
«Oft dauert es mehrere Jahre, bis mit dem Bau begonnen werden kann. Das macht die Aufgabe in der Immobilienentwicklung herausfordernd.» Wichtig ist gemäss Hutter, bei Markteintritt der neuen Wohneinheiten die Bedürfnisse der Zielgruppen zu treffen; «je nach Dauer der Projektbearbeitung können sich diese verändern». Es müsse auch ein Ziel sein, «die preissensitiveren Nachfrager mit klarer Budgetvorgabe abzuholen; hierfür sind effiziente Projekte und eine ökonomische Bauweise entscheidend.»
Roger Stieger sieht das ebenso: «Aktuell kann in keinem Segment von einem Überangebot gesprochen werden. Vielmehr herrscht Knappheit. Baubewilligungsverfahren dauern länger, das Land wird knapper und teurer, die Zuwanderung bleibt hoch und die demografische Entwicklung trägt das Ihre dazu bei.» Insbesondere auf dem Mietmarkt würden nach wie vor zu wenige Einheiten realisiert; Neubauprojekte könnten praktisch immer ab Plan vermietet werden. Aber: «Schwieriger umzusetzen sind teurere Objekte im Verkauf.»
Derzeit gebe es im Rheintal in bestimmten Segmenten Engpässe, insbesondere bei preisgünstigen Mietwohnungen und erschwinglichen Einfamilienhäusern für junge Familien, beobachtet auch Andrea Cristuzzi. In anderen Bereichen – wie Luxusimmobilien oder grossen und damit teuren Wohnungen – könne es zu einem «leichten Überangebot» kommen.
«Das Angebot hängt stark von der Makrolage (Gemeinde) und dem Preissegment ab», hält Cristuzzi fest. Sie gibt ein Beispiel: «Wir beobachten seit Anfang 2025 auf den Märkten Widnau und Diepoldsau bei den Neubau-Eigentumswohnungen eine vergleichsweise hohe Versorgung, was dort nun zu ersten Preiskorrekturen geführt hat.» Sie geht davon aus, dass diese Wohnungen eine etwas längere Absorptionszeit brauchen werden, sich der Markt dann aber wieder einpendelt.
Die anhaltende Knappheit trifft auf eine aktive Nachfrage, was die Preise weiter steigen lässt – wenn auch moderater als in den Vorjahren. Aktuelle Marktdaten zeigen, dass die Immobilienpreise im Rheintal im vergangenen Jahr erneut zugelegt haben: Der mittlere Transaktionspreis für ein Einfamilienhaus ist zwischen dem 3. Quartal 2023 und dem 3. Quartal 2024 um rund 2,2 Prozent gestiegen und liegt jetzt bei knapp 1,6 Millionen Franken.
Bei Eigentumswohnungen stieg der Medianpreis im selben Zeitraum von 870’000 auf rund 910’000 Franken, ein Zuwachs von etwa 4,8 Prozent. Zudem wurden in den vergangenen zwölf Monaten Baubewilligungen für rund 250 weitere Eigentumswohnungen in der Region erteilt – ein Indiz für künftigen Angebotszuwachs. Allerdings zeichnet sich im Segment der Rheintaler Einfamilienhäuser ein Rückgang der Neubautätigkeit ab.