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Au
04.06.2025
04.06.2025 17:29 Uhr

Marcel Schuster: Mit 200 km/h im freien Fall

Bild: zVg
Der Auer Marcel Schuster ist Fallschirmspringer mit Leib und Seele. Während es für die meisten Menschen eine einmalige Sache ist, aus einem Flugzeug zu springen und gen Boden zu rasen, hat es sich der Auer zum Sport gemacht – und ist ausgesprochen erfolgreich.

In der letzten Zeit war auf Rheintal24 immer wieder von Marcel Schuster aus Au zu lesen. Der Rheintaler Fallschirmspringer kann derzeit am laufenden Band Erfolge im Fallschirmspringen einfahren und gelangt dadurch immer mehr in das Zentrum der lokalen Öffentlichkeit. Rheintal24-Redaktor Fabian Alexander Meyer hat den Extremsportler zum Interview gebeten.

«Die Länder dieser Welt von oben betrachten»

«Gefährliche Brandung» aus dem Jahre 1991 und «Dropzone» aus dem Jahre 1994: Was diese beiden Filme gemeinsam haben: Sie brachten Schuster dazu, sich einerseits ins Kino zu begeben und weckten andererseits auch das Interesse für das Fallschirmspringen. «Denn hier kamen richtig coole Fallschirmszenen vor», erklärt Schuster die Entdeckung seiner Liebe zum Fallschirmspringen. «Und mein Bruder hatte ein paar Jahre zuvor in Hawaii mit dem Fallschirmspringen begonnen. Er meinte, dass mir das gefallen könnte.» So sei dann das Eine zum Anderen gekommen «und ich ging für zwei Wochen nach Hawaii, um dort das Fallschirmspringen zu lernen.» Retrospektiv betrachtet eine der wichtigsten Entscheidungen des Lebens von Schuster.

Und was macht das Fallschirmspringen so besonders? «Es ist einfach etwas Aussergewöhnliches, was nicht jeder macht. Anfangs sprang ich noch aus dem Flieger, weil ich einfach mit meinen Freunden Spass haben wollte und ein cooles Wochenende haben wollte.» Als er dann allerdings das Zielspringen für sich entdeckte, tat sich eine neue Welt auf. «Das Hobby wurde zum Wettkampfsport. Die Wettkämpfe begeistern mich momentan am meisten. Die Präzision, Konzentration auf den Punkt zu bringen.» Zudem geniesst er auch das Privileg, «die diversen Länder dieser Welt von oben betrachten zu dürfen.»

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«In vier Kilometern Höhe ist es sehr kalt»

Aus einem Flugzeug zu springen und mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit gegen den Boden zu rasen: Das macht sicher nicht jeder. «Mit einer guten Vorbereitung und einer sicheren Ausrüstung geht es aber ohne Angst und Nervosität los. Ich musste mich für meinen ersten Sprung jedenfalls nicht überreden lassen.» Bei den ersten Absprüngen habe man noch viel zu tun, damit alles richtig laufe und könne die Aussicht noch gar nicht geniessen. «Das ist wie bei einer Fahrschule. Das Fallschirmspringen ist an sich ziemlich einfach. Man muss einfach nur fallen - dies allerdings entsprechend kontrolliert.»

Damit dies auch richtig klappt, seien bei den ersten Versuchen zwei Lehrer dabei gewesen, welche ihn beobachtet und notfalls eingegriffen hätten. «Aber sobald du den Fallschirm öffnest, bist du in einer Höhe von 1500 Metern komplett allein. Das ist schon ein komisches Erlebnis und auch eine sehr ungewohnte Situation.» Erst im Nachhinein kickt das Erlebte so richtig. «Das Gehirn ist dann mit der neuen Situation komplett überfordert und leider kann man sich nur an wenige Dinge vom ersten Sprung erinnern. Was ich aber noch weiss: In vier Kilometern Höhe ist es sehr kalt.»

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«Geschwindigkeiten von über 200 km/h»

Mittlerweile ist Schuster bereits so oft gesprungen, dass er sich die meisten Gedanken gar nicht mehr macht. Es ist längst «Alltag» geworden, in einer Höhe von mehreren Kilometern aus einem Flugzeug zu springen und einen auf Tom Cruise zu machen. «Eine Hemmschwelle, die ich jeweils überwinden muss, gibt es heute nicht mehr. Das Flugzeug und der Absprung davon sind viel mehr Mittel zum Zweck. Es ist wie Busfahren: Man steigt einfach aus, wenn man die gewünschte Destination oder in meinem Fall die gewünschte Höhe erreicht hat.»

Wenn Schuster an Wettkämpfen teilnimmt, springt er ausschliesslich aus einer Höhe von einem Kilometer ab. Der entsprechende Steigflug dauert sieben Minuten. «Das Wichtigste, wenn man gegen die Erde rast: Den Fallschirm früh genug öffnen. Denn im Notfall muss man ja auch noch genug Zeit haben, um den zweiten Fallschirm zu öffnen.»

Die Kräfte, die hier wirken, sind extrem. Das spürt man bereits beim Aufstieg. «Wenn man auf der gewünschten Höhe die Türe aufmacht und sich auf den Absprung vorbereitet, fühlt es sich an, wie wenn man den Kopf auf der Autobahn aus dem Fenster hält. Wenn man rausspringt, wird man immer schneller. Teilweise erreicht man dabei Geschwindigkeiten von bis zu 200 Kilometern pro Stunde.»

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«Für jede Situation gibt es eine Lösung»

Die Leidenschaft für das Fallschirmspringen zeigt Wirkung. Am Weltcup in Cahors gewann Schuster gemeinsam mit dem CISM-Team. Was macht dieses Team und die Konstellation so besonders? «Das Team ist einfach cool. Wir sind verschiedene Charaktere und kommen aus allen Teilen der Schweiz.» Da man bereits seit einigen Jahren zusammenarbeitet, vertraut man sich entsprechend blind. «Eine meiner wichtigsten Aufgaben im Team ist es, am richtigen Ort auszusteigen und den Wind richtig einzuschätzen, damit es auch für meine Teamkollegen möglich ist, gemeinsam mit mir rauszuspringen und das Ziel mit möglichst wenig Abweichung zu erreichen.»

Wetter ist dabei ein gutes Stichwort. «Vor dem Einsteigen wird oft noch rege mit den Teamkollegen diskutiert. Was hat man beobachtet und wie geht man damit um? Aber am Schluss ist jeder Sprung ein anderer und man muss immer das Beste aus der Windsituation machen, die man bekommt.» Das Wetter kann man nicht beeinflusssen. Dementsprechend muss man sich anderweitig arrangieren. Dies gelingt mit einer Coolness. «In jeder Situation gibt es eine gute Lösung.»

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Schuster will hoch hinaus – wortwörtlich

Übung macht den Meister: «Dieses Jahr habe ich bereits 160 Trainingssprünge absolviert. Dies ist dank einer grossen Flexibilität meiner Familie und meines Arbeitgebers möglich. Zudem ist die Schweizer Armee ein grosser Sponsor, der mir Trainings ermöglicht und mir die entsprechende Ausrüstung stellt.» Bis Ende Jahr stehen ausserdem neun weitere Wettkämpfe an, welche alle familientechnisch ungünstigen Wochenenden liegen. 

Wettkämpfe sind aber nicht nur ein Hindernis für die Familie; sie sind immer auch ein unvergessliches Erlebnis. «Einer der schönsten Wettkämpfe war sicherlich die Weltmeisterschaft in Tschechien, bei welcher wir Vizeweltmeister in der Mannschaftwertung wurden. Nicht nur die Leistung war super, sondern auch der Teamspirit. Nicht zu vergessen auch die wilde Party danach.» Schuster will hoch hinaus: «Ich will einer der besten Zielspringer der Nation werden und im nächsten Jahr die Schweizermeisterschaften wieder gewinnen. Im November steht die Weltmeisterschaft in Katar an. Hier wollen wir ganz oben auf das Podest.»

Fabian Alexander Meyer
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