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St. Margrethen
13.09.2024
17.09.2024 17:26 Uhr

Alfred Kriftner Teil I: Mit Luftgewehren auf Hühner schiessen

Alfred Kriftner
Alfred Kriftner Bild: zVg
Vor bald 20 Jahren gab der St.Margrether Alfred Kriftner sein Leben im Rheintal auf und tauschte es gegen ein Leben als Farmer in Texas. In der neuen Serie «Ein Rheintaler in Texas» arbeitet Alfred Kriftner gemeinsam mit Fabian Alexander Meyer seine eigene Lebensgeschichte auf.

Über die Serie «Alfred Kriftner – Ein Rheintaler in Texas»

Jeweils am Dienstag und am Freitag wird eine neue Episode der Serie publiziert. Die Artikel folgen dabei chronologisch dem Leben von Kriftner und wortwörtlich von St.Margrethen bis nach Oplin in Texas. Seien Sie auch in der kommenden Woche wieder mit dabei. 

Sämtliche Artikel können Sie nach der Veröffentlichung auch im Dossier «Alfred Kriftner – Ein Rheintaler in Texas» nachlesen.

«Ich wurde am 11. Juli 1954 in Thal geboren», eröffnet der St.Margrether und Wahl-Texaner das Gespräch. «Es war das Geburtenspital. Heute gibt es dieses leider nicht mehr.» Thal liegt mitten im schönen Rheintal und ist umgeben von Hügeln, Weinbergen und schöner Natur. Das beschauliche kleine Dorf ist friedlich und die Lebensqualität entsprechend hoch. Wahrlich ein Ort für eine glückliche Kindheit.

Das ganze Dorf trifft sich zum Spielen

«Aufgewachsen bin ich in meinem Elternhaus in St.Margrethen. Die Kindheit würde ich als unbeschwert bezeichnen. Früher war eben alles noch besser.» Kriftner ist ganz anders aufgewachsen als die heutigen Kinder. Kein Handy, kein Internet. Kind-sein hat sich früher noch wie Kind-sein angefühlt. «Meine Schwester spielte mit Puppen und wir Jungs hatten beispielsweise Spielzeugautos, mit denen wir durch die Wohnung gerannt sind und unsere Eltern beinahe in den Wahnsinn getrieben haben.» Der Vater war Spengler und hatte seine eigene Firma. Die Mutter wiederum war die Hausfrau und kümmerte sich um Haus und Kinder. «Die klassische Rollenverteilung. Das Patriarchat, wie es heute immer weniger denkbar ist.»

Wie jedes Kind musste auch Kriftner zur Schule gehen – die Begeisterung hielt sich aber in Grenzen. «Es hat mich immer angeschissen, zur Schule gehen zu müssen.» Man merkt, wie ein echter Rheintaler und auch ein echter Texaner nimmt Kriftner kein Blatt vor den Mund. «Mathematik lag mir schon immer. Beim Deutsch und der Rechtschreibung sah es anders aus» sagt er und lacht.

Das Geburtshaus von Kriftner; hier ist er aufgewachsen. Bild: zVg

Schon früh das mechanische Interesse entdeckt

Seine Wochenenden haben ihm da schon mehr Spass gemacht. «Am Samstag verbrachte man viel Zeit damit, den Eltern zu helfen. Beispielsweise beim Holzhacken oder im Haushalt. Und der Sonntag war dann der grosse Tag. Der Tag, auf den man die ganze Woche hingefiebert hat. «Das war unser Spieltag», erinnert sich Kriftner. «Die Kinder aus dem ganzen Dorf haben sich getroffen, um gemeinsam Räuber und Gendarme zu spielen. Das waren noch Zeiten.»

Seine Zeit verbrachte Kriftner zudem auch sehr gerne mit sogenannten «Stokys». «Das ist ein Baukasten, mit dem man Modellfahrzeuge und Flugzeuge herstellen konnte. Ich beispielsweise habe sehr gerne Traktoren und Lastwagen gebaut.» Hier entdeckte er auch sein mechanisches Interesse. Diese Erkenntnis wird noch eine sehr wichtige Rolle in seiner Zukunft spielen. Doch dazu in einem späteren Kapitel mehr.

Ein uraltes Klassenfoto. Ca. aus der dritten oder vierten Klasse. Bild: zVg

Menschen und Hühner im Visier

Ohne die ganze Digitalisierung aufzuwachsen sei ein absolutes Geschenk gewesen. «Wir hatten beispielsweise lange keinen eigenen Fernseher daheim.» Erst als nach etlichen Jahren einer ins Haus gestellt wurde, kam Kriftner in den Genuss der grossen weiten Welt. Besonders angetan haben es ihm die Spaghetti-Western. «Das hat mich schon immer fasziniert.» Insbesondere die urige Landschaft der USA, die Revolverhelden und natürlich die erlebten Abenteuer der Protagonisten, die nicht selten erst in allerletzter Sekunde einer Gefahr entkamen oder dem Tod gerade noch von der Schippe springen konnten. «Das machte mächtig Eindruck auf mich.»

Gar so viel Eindruck, dass er die Abenteuer der Revolverhelden in Echt erleben wollte. In Ermangelung an entgleisten Zügen und echten Waffen (zumindest als Kind) entschied er sich, gemeinsam mit einem Freund dessen Luftgewehr zu benutzen. «Als ich mal bei meinem Freund zuhause war, sahen wir, wie ein paar Kinder in einer Wiese spielten. Sie waren so friedlich und es wäre doch so schade gewesen, wenn man sie gestört hätte», sagt Kriftner und kann sich ein Lachen nicht verkneifen.

«Also packten wir das Luftgewehr, legten es wie ein Jäger auf dem Fenstersims ab, zielten und schossen eine Ladung direkt auf den Rücken des einen Kindes.» Das Geschrei liess nicht lange auf sich warten. «Wie vom Affen gebissen rannte das Kind umher, nicht wissend, von wo der Angriff kam. Das führte zu einer kleinen Panik», sagt Kriftner und lacht laut heraus. «Das Luftgewehr selber war glücklicherweise aber bereits in die Jahre gekommen, wodurch der Schuss nie seine volle Wirkung entfalten konnte.» Zum Glück. «Wir haben übrigens auch auf Hühner geschossen.» Denn nur auf Menschen zu schiessen sei ja schliesslich unmoralisch.

Der Vater von Kriftner. Das Foto wurde 1952 aufgenommen. Bild: zVg

Bandenkriege mitten im Rheintal

Solche Spielereien waren damals einfach normal. «Die Eltern waren auch entsprechend liberaler eingestellt. Da konnte man so etwas noch machen, ohne dass man gleich mit einer Anzeige rechnen musste.» Auch viele Probleme hätte man untereinander mit einer harmlosen Rauferei regeln können. «Das alles gehörte zur Kindheit einfach dazu.»

Was heute vielleicht unvorstellbar ist, war damals noch Alltag: «Es gab innerhalb des Dorfes auch mehrere kleine Kinder-Gangs.» Also Gruppierungen, die sich gegenseitig mehr oder weniger ernsthaft bekämpften. «Beispielsweise die Bauernkinder. Diese wuchsen in ärmlichen Verhältnissen auf und führten eine Art Kleinkrieg gegen die anderen Kinder, die nicht aus der gleichen Gesellschaftsschicht stammten wie sie.»

Neben den «Wasen» gab es ausserdem auch noch die Gangs «Oberdorf» und «Unterdorf», die ebenfalls in ständigem Krieg miteinander standen. Auch die Eltern haben es entsprechend locker gesehen. «Unter den Kindern gab es auch immer wieder kleine und grosse Mutproben.» Auch das ist in der heutigen Zeit absolut undenkbar und würde so manchen Eltern den Angstschweiss und andere Körperflüssigkeiten auf den Körper treiben.

Mehr oder weniger gefährliche Mutproben

Doch wie sehen solche Mutproben aus? «Das ist ganz unterschiedlich. Man ging beispielsweise in den Wald, buddelte dort ein Loch und benutzte dieses als Höhle bis spät in die Nacht. «Und wenn es dann über Nacht geregnet hat und wir am nächsten Tag das in sich zusammengebrochene Erdloch sahen, waren wir immer wieder froh, dass wir noch heil herausgekommen sind.» Dummerweise sind die Höhlen teilweise auch eingestürzt. «Doch es wurde nie jemand verletzt.» Eine andere Mutprobe wiederum sah vor, dass man auf einen besonders gefährlichen Felsen klettern musste. Man mag sich gar nicht ausmalen, was denn alles hätte passieren können. «Aber wir hatten immer Glück.»

Eine Mutprobe bleibt Kriftner dabei besonders in Erinnerung. «Wir mussten bergauf den Wald durchqueren. Immer mit der Gefahr im Nacken. Die Gefahr könnte brutaler nicht sein: Die bereits bekannten Wasen haben im Wald auf uns gewartet und mit den Luftgewehren auf uns geschossen, weil wir ihr Territorium betreten haben. Glücklicherweise weiss ich aber nicht, ob so ein Luftgewehr wehtut. Denn ich wurde nie getroffen, so schnell war ich.»

«Die Wasen haben im Wald auf uns gewartet und mit den Luftgewehren auf uns geschossen.»
Alfred Kriftner

Tolle Kindheit mit vielen Highlights

Eine Kindheit im naturverbundenen Rheintal ist also sicher eine sehr schöne Sache. Wenn man denn von den Scharfschützen im Wald und den gebauten Löchern im Boden absieht. Die dürften schon dem einen oder anderen Wanderer zum Verhängnis geworden sein.

Rückblickend auf seine Kindheit kann Kriftner resümieren: «Es war eine sehr schöne Kindheit. Natürlich gibt es ein Auf und Ab, aber ich hatte eine wirklich tolle Zeit als Kind.» Was er besonders aus dieser Zeit mitnimmt: «Die Verbundenheit untereinander war so gross und schön. Trotz dem teilweise etwas gar krassen Altersunterschied.»

Fortsetzung folgt.

Fabian Alexander Meyer, Rheintal24