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St. Margrethen
28.09.2024
17.09.2024 16:57 Uhr

Alfred Kriftner Teil V: Den Hausfrieden mit Waffengewalt verteidigen

Alfred Kriftner
Alfred Kriftner Bild: zVg
Mittlerweile hat sich Kriftner gut in Amerika eingelebt und in Texas seinen neuen Lebensmittelpunkt gefunden. Mit diesem neuen Leben kommen auch neue Gewohnheiten. Darunter das Tragen einer Waffe. Und auch sonst ist vieles anders als in der Schweiz.

Nun war es also soweit: Erreicht ist das gelobte Land – und vorbei die Heimat im Rheintal. Jetzt stehen die Kriftners also da, mitten in der neuen Heimat. Doch sie haben noch keinen Plan, wie es jetzt für sie weitergehen soll. Denn sie haben noch kein Haus, kein Auto, gar nichts. Das alles muss jetzt so schnell wie möglich organisiert werden. «Daher gingen wir zu einer Bank und haben dort das Anliegen platziert, dass wir ein Haus brauchen.»

In der Tasche mit dabei: 30'000 Franken Bargeld. Ausserdem die Sicherheit, dass noch mehr Geld folgen würde, sobald ein Konto bestehe. «Bei der Bank war man glücklicherweise sehr kulant. Sie übernahmen das Risiko und gaben uns eine Hypothek. Wir haben gestaunt, wie reibungslos das funktioniert.» Bereits hier merkt man, dass die Bürokratie ganz anders ist als in der Schweiz. «Hier ist sie praktisch nicht existent!»

Die neue und bessere Schweiz

Es dauerte nicht lange und die Kriftners hatten bereits das erste eigene Haus. Das Grundstück erstreckte sich auf über einen ganzen Hektar Boden. «Das Haus lag an einer ruhigen Strasse in der Nähe von Abilene. Hier hatten wir kaum Verkehr, was uns sehr gelegen kam.» Sie seien schön für sich allein gewesen und hätten in der näheren Umgebung nur zwei Nachbarn gehabt.

«Das Haus war sehr toll. Es war so, wie man es als Europäer aus den Spielfilmen kennt.» Allgemein fühlte sich hier in Amerika alles anders an. «Die Kultur, die Nachbarn, der Lebensstil.» Im ersten Moment sei das schon eine Umgewöhnung gewesen. «Doch schnell lernt man die Grossartigkeit dieses Landes lieben.» Nahezu alles sei hier besser als in der Schweiz. «Wir haben uns daher sofort wohlgefühlt.»

Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. «In Amerika ist auch viel mehr Schein als Sein. Das merkt man auch bei den Häusern. Von aussen sehen diese extrem gut aus, fast schon wie Villen. Doch wenn man hinter die Kulissen schaut, bemerkt man, dass hier teilweise mit sehr billigen Materialien gearbeitet wurde. Schliesslich müssen Kosten gespart werden.» Das erinnert ein wenig an die von Kriftner dermassen geliebten Westernfilme. Auch dort sehen die Häuser nur von vorne gut aus. Schaut man sie von hinten an, merkt man schnell, dass es nur eine Fassade auf der Fassade ist.

«Schnell lernt man die Grossartigkeit dieses Landes lieben»
Alfred Kriftner

Gespräche mit einem Weltkriegs-Veteranen

«Doch darum ging es uns nie. Wir waren einfach glücklich über unsere neue Heimat und das damit einhergehende Gefühl eines Neuanfangs.» Die Nachbarn verstärkten dieses Gefühl zusätzlich. «Es war die typisch texanische Art. Sie waren freundlich und haben uns begrüsst. Schnell entwickelte sich sowas wie eine Freundschaft. Für mich besonders interessant: Einer der Nachbarn war ein Veteran aus dem zweiten Weltkrieg. Wir konnten uns ewig unterhalten. Sehr zum Leidwesen unserer Frauen», lacht laut. Allgemein wird den Veteranen in den vereinigten Staaten eine grosse Ehre zuteil. «Sie werden als Helden verehrt, weil sie für eine freie Welt gekämpft haben und bereit waren, ihr Leben für das von Millionen Amerikanern und Europäern zu geben.»

Der Veteran’s Day ist ein sehr gutes Beispiel hierfür. «An diesem Tag wird nicht nur den verlorenen Kameraden gedacht, sondern auch jenen, die das Glück hatten und nach Hause zurückkehren konnten. Dieses patriotische Fest mag auf die Europäer etwas übertrieben erscheinen, doch es ist genau das: Patriotismus.»

«Wrong Side of Heaven»

Die Veteranen würden demnach auch vielerorts Rabatte bekommen, verschiedenste Vorteile geniessen und allgemein ein hohes Mass an Respekt aus allen Bevölkerungsschichten bekommen. Doch die Realität kann auch ganz anders aussehen. So gibt es auch viele Veteranen, die auf der Strasse leben müssen und von der Gesellschaft verstossen wurden. Dieses Problem betrifft aber vor allem die Veteranen aus den aktuelleren Konflikten. Beispielsweise aus Vietnam. Sie leben auf der Strasse und sind verstossen vom eigenen Land, für das sie noch gekämpft haben und bereit waren, das Leben zu geben.

Das Lied «Wrong Side of Heaven» (Auf der falschen Seite des Himmels) der Band «Five Finger Death Punch» spricht Bände. Zwar bezieht es sich konkret auf die Veteranen der Ereignisse der letzten Jahre, doch steht die Botschaft sinnbildlich für Veteranen aller Epochen. So liest sich eine Passage wie folgt: «Arms wide open, I stand alone. I'm no hero and I′m not made of stone.» Auf Deutsch: «Die Arme weit ausgebreitet, steh ich alleine da. Ich bin kein Held und ich bin auch nicht aus Stein.» Das soll wohl darauf anspielen, dass man sie mit ihrem Schmerz allein lässt. Und auch wenn sie Soldaten sind, so haben auch sie Gefühle.

Texaner, nicht Amerikaner

Doch zurück zu Kriftner. «Dieser Veteran war für mich sehr interessant. Ich habe mich schon immer für den zweiten Weltkrieg interessiert, habe viele Bücher gelesen, Filme geschaut und Museen besucht. Doch absolut nichts schlägt das Gespräch mit einem Zeitzeugen.»

Filme sind ein gutes Stichwort. Stimmen eigentlich die Vorurteile, die man sowohl gegen die Rheintaler, wie auch gegen die Texaner hat? «Dass sie rückständig und menschenfeindlich sind? Das stimmt absolut nicht. Ich würde so weit gehen und sagen, dass sich die Rheintaler und die Texaner bestens verstehen würden. Wir sind beide bodenständige und ehrliche Leute, die durchaus direkt und ab und an auch mal beleidigend sein können. Aber böse meinen wir es eigentlich nie. Ausserdem sind wir sehr gesellig und gastfreundlich. Wer sich also im Rheintal wohlfühlt, wird auch in Texas schnell neue Freunde finden.»

Kriftner ist extrem darauf bedacht, nicht als Amerikaner, sondern als Texaner gesehen zu werden. «Das ist für mich ein Unterschied.» Er wolle beispielsweise nichts mit den Kaliforniern zu tun haben. «Nicht weil das schlechte Menschen sind. Sondern einfach deshalb, weil sie politisch anders denken als wir.» Kalifornien würde vom politischen System der Schweiz daher noch am nächsten kommen.

Stets bewaffnet unterwegs

«Texas wiederum ist so ursprünglich, so anders und einfach besser. Ich fühle mich hier einfach wohl.» Und es stimmt: Texas und das Rheintal teilen viele Gemeinsamkeiten. «Mal von der Grösse abgesehen natürlich. Hier wird viel Landwirtschaft betrieben, es gibt viel Natur und die Leute sind ähnlich drauf wie auch die Rheintaler.» Da sieht man gerne auch über die teilweise extremen Temperaturen hinweg. «40 Grad im Sommer? Während solche Temperaturen im Rheintal durchaus speziell sind, sind sie bei uns normal. Da gewöhnt man sich dran.»

Auch völlig normal ist zudem das Tragen von Waffen. «Das hinterfragt hier keiner.» Mancher Europäer fragt sich nun, warum man das tun soll. Ist es bei uns denn nicht sicher genug? Natürlich ist es das!» Aber trotzdem gehöre es einfach dazu. «Wir leben hier teilweise dermassen abgeschieden, dass es ewig dauern würde, bis die Polizei hier ist. Daher will ich mich auch einfach verteidigen können.»

Unter den Waffen befinden sich auch Revolver und Pistolen. Bild: zVg

Unheimliche Begegnung mitten in der Nacht

Ein gutes Beispiel: «Eines Nacht lag ich wach im Bett. Urplötzlich hörte ich draussen Autogeräusche. Soweit an sich ja nicht schlimm. Doch das Geräusch bewegte sich nicht von der Stelle. Ich schaute aus dem Fenster und erblickte im Dunkeln ein Auto. Es stand mit laufendem Motor auf meiner Einfahrt.» Angenommen, es wäre was passiert: Die Polizei wäre niemals rechtzeitig hier gewesen. Denn Kriftner wohnt weit draussen. Die nächstgrössere Stadt ist zig Kilometer entfernt.

«Also packte ich eine meiner Waffen, umklammerte sie und ging nach draussen. Ich bewegte mich auf das Fahrzeug zu, rechnete mit allem. Doch im Auto war es dunkel, weshalb ich nicht sehen konnte, ob da jemand am Steuer sass. Und vor allem wer es ist.» Mit dem Schutz der Waffe ging Kriftner also weiter. Beim Auto angekommen, entdeckte er eine junge Frau. «Diese hatte sich anscheinend verfahren und suchte ihre Landkarte ab. Nachdem ich mich rückversichert habe, dass niemand auf dem Hintersitz ist, steckte ich meine Waffe weg und half der jungen Frau weiter. Letztendlich konnten wir das Problem gemeinsam lösen und sie fuhr davon.» Die Waffe brauchte Kriftner glücklicherweise nicht. «Doch genau für solche Fälle ist sie da. Sie rettet dich, wenn es sonst keiner tun kann.»

«Die Freiheit im Waffenbesitz ist mir heilig.»
Alfred Kriftner

Freiheit als höchstes Gut

Kriftner gewährte dem Redaktor ausserdem einen exklusiven Einblick in seinen Tempel, die Waffenkammer. Hier werden die feuchten Träume eines jeden Waffenfanatikers wahr. Auf relativ kleinem Raum stapeln sich Revolver, Pistolen und sogar verschiedene Langwaffen. Auf einem Video ist Kriftner zudem auch mit einem Sturmgewehr zu sehen. «Die Freiheit im Waffenbesitz ist mir heilig. Auf meinem Land bin ich der König. Ich darf hier tun und lassen, was ich will. Es gibt kein Amt und kein Gesetz, das mir das verbietet.»

Diese persönliche Freiheit lebt Kriftner auch in vollen Zügen aus. So hat er sich auf seinem Grundstück unter anderem eine Lanze der Schweizergarde, gepaart mit einer Südstaatenflagge hingestellt. Und ausserdem werden Besucher und Eindringlinge von einer zwar inaktiven aber nicht minder bedrohlichen Kanone begrüsst. «Klar, das sind hier eindeutig nur Spielereien. Aber tatsächlich darfst du hier jemanden über den Haufen schiessen, wenn er dein Grundstück unbefugt betritt. Da stellt dann auch keiner irgendwelche Fragen.» Wenn man also jemanden besucht, so lohnt es sich, vorher anzurufen und seinen Besuch anzukündigen, «nicht dass man noch eine Patrone zwischen die Augen bekommt.»

Texas gehört zwar zu Amerika, ist aber dennoch komplett anders. Man könnte gar von einer Art Parallelwelt sprechen. Eine Welt, die man sich als Rheintaler wohl kaum vorstellen kann. Das muss man einfach erlebt haben. «Ich bin stolz auf meine neue Heimat. Damit habe ich meinen Lebenstraum verwirklicht.»

Über die Serie «Alfred Kriftner – Ein Rheintaler in Texas»

Jeweils am Freitag wird eine neue Episode der Serie publiziert. Die Artikel folgen dabei chronologisch dem Leben von Kriftner und wortwörtlich von St.Margrethen bis nach Oplin in Texas. Seien Sie auch in der kommenden Woche wieder mit dabei. 

Sämtliche Artikel können Sie nach der Veröffentlichung auch im Dossier «Alfred Kriftner – Ein Rheintaler in Texas» nachlesen.

Fabian Alexander Meyer/Rheintal24$