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St. Margrethen
11.09.2024
17.09.2024 17:24 Uhr

Alfred Kriftner Teil II: Berufsstolz und Widerstand

Alfred Kriftner
Alfred Kriftner Bild: zVg
Nach einer sehr glücklichen Kindheit kam für Kriftner der Schritt ins Erwachsenenleben. Während einer vierjährigen Lehre als Mechaniker lernte er sehr viel für sein weiteres Leben, machte unvergessliche Erlebnisse und wurde auch mit Themen konfrontiert, die heutzutage undenkbar sind, damals aber normal waren.

Über die Serie «Alfred Kriftner – Ein Rheintaler in Texas»

Jeweils am Dienstag und am Samstag wird eine neue Episode der Serie publiziert. Die Artikel folgen dabei chronologisch dem Leben von Kriftner und wortwörtlich von St.Margrethen bis nach Oplin in Texas. Seien Sie auch in der kommenden Woche wieder mit dabei. 

Sämtliche Artikel können Sie nach der Veröffentlichung auch im Dossier «Alfred Kriftner – Ein Rheintaler in Texas» nachlesen.

Kriftner war nie ein guter Schüler. Viel lieber beschäftigte er sich mit mechanischen Zusammenhängen. Wir erinnern uns: Stokys-Baukästen waren seine grosse Leidenschaft. Stundenlang konnte er damit seine Zeit verbringen und die unterschiedlichsten Sachen zusammenbauen. Als es dann darum ging, eine Lehre zu machen, war für Fredi der Fall schnell klar.

«Ich will Mechaniker werden», sagte er damals zu seinem Vater. Daher machte sich dieser auf die Suche und fand schon bald eine Lehrstelle für seinen Sohn. «Damals war das alles noch anders. Wir hatten kein Internet, in welchem wir eine Stelle suchen konnten.» Daher habe sein Vater herumgefragt und seinen Sohn empfohlen. Fündig wurde er sodann in St.Margrethen.

«Mit dem Start der Ausbildung begann für mich ein neues Leben. Vorbei war die Schule und vorbei war die Freizeit. » Denn eine Ausbildung damals ist nicht mehr vergleichbar mit dem, was wir heute kennen. Damals wurde man noch vom ersten Tag an gefordert und direkt in den Betrieb eingespannt. Man spielte von Anfang eine grosse Rolle innerhalb des Unternehmens und trug massgeblich zu dessen Erfolg bei. «Früher war alles anders.»

Stolz auf seine Leistungen

Das Team war verhältnismässig gross für damalige Verhältnisse. Vier Lehrlinge, ein Chef (Ingenieur) und zwei gelernte Mechaniker haben damals zusammengearbeitet. Gemeinsam haben sie Maschinen gebaut und in die Region geliefert. Den älteren Rheintalern wird der Firmenname wohl noch ein Begriff sein: «Brassel Präzisionsmaschinenbau St.Margrethen», so hiess der Arbeitgeber.

«Das war eine sehr tolle Aufgabe. Ich konnte mein Hobby zum Beruf machen und bin in meiner Rolle komplett aufgegangen. Jetzt war ich nicht mehr nur an Stokys dran, sondern konnte auch richtige Maschinen bauen. Maschinen, die anderen Menschen einen grossen Teil der Arbeit abnehmen sollten.» Die Arbeit im Team hat ihm sehr gut gefallen; gemeinsam etwas zu erreichen und komplexe Maschinen zu bauen – das habe ihn mit Stolz erfüllt.

Kriftner während seiner Ausbildung als Mechaniker. Bild: zVg

Vom Mechaniker zum Verkäufer

«Meinen Job machte ich immer sehr gut. So gut gar, dass ich eines Tages zu einem Verkäufer wurde!» Was im ersten Moment eher komisch klingt, erweist sich auf den zweiten Blick durchaus als Vertrauensbeweis. «Der Chef zitierte mich in sein Büro.» Anspannung macht sich breit; was er wohl von Fredi will? «Ich will, dass du Verkäufer wirst.» Nun, zwar sagte er es nicht direkt so, aber es lief auf diese Richtung hinaus.

«Wir unterhielten uns in seinem Büro über den Preis einer Maschine, die wir herstellen sollten.» Im Wesentlichen ging es um den Arbeitsaufwand und das Material. «Danach schickte er mich für den nächsten Tag nach Zürich zu einem Kunden. Das war eine Firma für künstlichen Süssstoff.» Kriftner sollte dem Direktor die hauseigene Lösung und den entsprechenden Preis vorlegen. Das sei eine echte Herausforderung gewesen. «Der Direktor akzeptierte mich als Unterhändler? Ich konnte es kaum glauben. Doch es funktionierte und alles lief gut ab. Am Schluss hatten wir den Auftrag und ich war erleichtert.»

Edwin Brassel, der Chef und Erfinder. Ohne eine Lehre bei ihm wäre der Start in die Selbständigkeit nicht möglich gewesen. Bild: zVg

Disco und Flipper in der Freizeit

Allgemein hat Kriftner fast nur gute Erinnerungen an seine Lehre. Doch er erinnert sich auch an Dinge, die zu seiner Zeit normal waren, heute jedoch undenkbar erscheinen. «Wir hatten damals eine ganz andere Arbeitsmoral als heute. Arbeitstage von neun Stunden und mehr, der Mittag selbstverständlich nicht mitgerechnet – zu unserer Zeit war das noch normal.» Niemand habe das System hinterfragt. Heute würde schon nach wenigen Wochen die UNIA vor der Tür stehen.

«Doch damals war das normal.» Und es geht noch weiter: «Freizeit hatten wir auch kaum. Wir haben uns mehr oder weniger über die Arbeit identifiziert.» Anders als heute kannte man den Begriff «Work-Life-Balance» damals noch nicht. «Die wenige Freizeit, die wir damals hatten, verbrachten wir beispielsweise in der Beiz. Flipperautomaten waren damals das grosse Ding.» Ab und an habe man sich auch in eine Diskothek verirrt, um dabei dem schönen Geschlecht näherzukommen. «Ein gutes Beispiel hierfür ist das Tanzlokal namens Linie 8 in Lustenau.» Hier haben sich die Jungen getroffen, um gemeinsam eine gute Zeit zu haben.

Prügelstrafen im Alltag

«Vieles war damals anders. Etwas bleibt mir aber besonders in Erinnerung. Zur damaligen Zeit wurden die Lehrlinge ab und an noch geschlagen! Kein Witz!» Das ist eine Tatsache. Prügelstrafen waren damals noch nicht verboten und wurden gar als notwendiges Mittel in der Erziehung angesehen.  «Ich habe es auch schon erlebt.» Glücklicherweise aber nicht an sich selber, sondern an einem Oberstift. «Er hat ihn mehrfach geohrfeigt!» Und auch Kriftner drohte er schon: «Wenn’t da nomol machsch, gibt’är links und rechts eis an Grind!» Das Problem: «Er beschuldigte mich für etwas, was ich gar nicht getan habe. Immerhin entschuldigte er sich anschliessend.»

An dieser Stelle sei ausserdem auch nochmal ein kurzer Rückblick auf die Schule erwähnt. Auch in der Schulklasse waren die Kinder nicht vor Gewalt sicher. Die Lehrer von damals griffen hart durch. Beispielsweise wurden die Kinder mit einem Lineal geschlagen. Hierbei mussten sie die Hände ausstrecken, damit ihnen mit einem Lineal auf die Finger gehauen werden konnte. Oder im Falle von Kriftner wurde den Kindern der Hintern versohlt.

«Arbeitstage von neun Stunden und mehr – zu unserer Zeit war das noch normal.»»
Alfred Kriftner

Probleme mit Gewalt lösen

«Ich habe es noch erlebt, dass der Lehrer eins der Kinder zu sich bat, es mit dem Bauch über das Knie legte und anschliessend wiederholt auf den Hintern geschlagen hat.» Damals normal, heute mehr als ein Grund für eine Anzeige, wenn nicht gar noch mehr. «Aber wir kannten es damals nicht anders.» Allgemein sei es normal gewesen, dass man Probleme mit mehr oder weniger «normaler» Gewalt gelöst habe. «Das hat man dann zuhause auch gar nicht erst erzählt.» So normal sei es gewesen. Und das bis in das spätere Erwachsenenalter hinein.

Doch auch Kriftner musste unter dem damaligen Schulregime leiden. «Ich bin Linkshänder. Damals in der Schule wurde so etwas aber nicht geduldet.» Alle mussten mit der rechten Hand schreiben, weil das als die «normale» Herangehensweise angesehen wurde. «Dieser zusätzliche Stress war für meinen Lernerfolg leider sehr hinderlich. Meine Lehrer hatten die Namen Zünd, Feurer und Brändle.» Eventuell wollte er deswegen später der Feuerwehr beitreten, wie er selbst lachend ergänzt.

«Ich war sein einziges Kind, das eine handwerkliche Begabung vorweisen konnte.»
Alfred Kriftner

Der Funke des Widerstands

Zurück zur Ausbildung: Bereits während dieser wuchs in Fredi der Wunsch, eine unternehmerische Laufbahn einzuschlagen. Doch sein Vater hatte andere Pläne. «Er hoffte, dass ich eines Tages seine Spenglerei übernehmen werde.» Doch das war für Fredi einfach nicht interessant genug; seine Interessen unterschieden sich drastisch von denen seines Vaters. «Physik, Mathematik und Mechanik, das waren Interessen von mir. Und diese wollte ich weiterverfolgen.»

Bei seinem Vater gibt es aber keine Gegenliebe für diese Idee. «Ich war sein einziges Kind, das eine handwerkliche Begabung vorweisen konnte. Daher blieb dieses Schicksal fortan an mir hängen.» Jedenfalls wollte sein Vater es so. Doch sein Sohn hat andere Pläne. Als er seinen Vater damit konfrontiert, dass er sich als Mechaniker selbständig machen will, holt ihn dieser wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.

«Der einschneidende Moment bestand darin, dass er mal meinte, ich könne mich niemals selbständig machen. Das Material sei einfach zu teuer. Dieser Satz prägte mein ganzes Leben.» Kriftner wollte seinem Vater daher das Gegenteil beweisen und startete daher mit 25 Jahren bereits in die Selbständigkeit. «Überhaupt stellte ich fest, dass Provokationen mich immer weiterbrachten. Ich machte vieles aus sogenannter purer verdämmti. Besser kann man es nicht beschreiben.» Und er hatte sogar Erfolg dabei.

Fabian Alexander Meyer, Rheintal24