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St. Margrethen
01.10.2024
17.09.2024 16:58 Uhr

Alfred Kriftner Teil VI: Eine Mauer für Kalifornien

Alfred Kriftner
Alfred Kriftner Bild: zVg
In diesem letzten Kapitel wird die Gegenwart behandelt. Wie sieht das Leben von Kriftner aus und wie lebt es sich so weit weg von der Heimat?

Die Jahre vergehen und Kriftner lebt sich immer mehr ein. «Es ist für mich ein absolut neues Leben, das ich hier begonnen habe. Mit der Schweiz ist das überhaupt nicht vergleichbar.» Schnell wird Kriftner dadurch zu einem wahren Texaner, wie er im Buche steht. «Ich wohne komplett für mich allein. Meine nächsten Nachbarn sind einige Kilometer weit weg. Aber trotzdem erlebe ich jeden Tag neue Überraschungen.»

Ein Fleckchen Himmel

Kriftner hat eine eigene Ranch mit einem grossen Landbesitz. Neben einer grossen Baracke und einem von ihm selbst gebauten Truck-Depot betreibt er hier auch viel Landwirtschaft. «Hier habe ich meine neue Heimat gefunden. Ich bin für mich allein und habe dennoch alles, was ich brauche.»

Die Ranch ist exakt so, wie man es sich vorstellt: Ein kleines, flaches Haus, ein Unterstand für gleich zwei Autos, dazu noch eine Kanone im Vorgarten – und natürlich eine Südstaatenflagge. «Ich habe aber auch eine Hellebarde der Schweizergarde in meinem Garten stehen. Das macht mich hier einzigartig.» Im Hinterhof baut Kriftner derzeit auch eine Baracke und einen kleinen Neubau. «Auf deinem Land darfst du machen, was du willst. Es gibt hier kein Bauamt, das dir irgendwelche Vorschriften macht.»

  • Blick auf die Farm von Alfred Kriftner in Texas. Charakteristisch ist die Südstaatenflagge und die Schweizerfahne sowie die Hellebarde und die Kanone. Bild: zVg
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  • Schon in der Schweiz arbeitete Kriftner als Feuerwehrmann. Und das hat sich auch in den USA nicht geändert, wie ein Blick auf die Fahrzeuge in seinem Garten zeigt. Bild: zVg
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  • Einblick in die Garage. Bild: zVg
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  • Ein weiterer Teil der Garage von Kriftner, wo die unterschiedlichsten Fahrzeuge gewartet werden. Bild: zVg
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  • Farmer-typisch darf auch ein Traktor nicht fehlen. Bild: zVg
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Werbung, die krank macht

Kriftner beschreibt die USA daher als Land der Freiheit und der Selbstbestimmung. «Hier kann man auf seinem Land eigentlich tun und lassen, was man will. Das schätze ich sehr.» Freiheit kommt aber  auch mit einem Preis. In der Schweiz macht man sich gerne über das Gesundheitssystem in den Staaten lustig, weil dort eine Krankenversicherung in der Regel selber bezahlt werden muss und nicht Pflicht ist.»

Das stimmt. Denn eine Krankenversicherung ist teuer – besonders wenn man sie nicht über den Arbeitgeber abschliessen kann, sondern privat. Das führt dazu, dass viele Menschen gar keine Krankenversicherung haben. So auch Kriftner: «Ich habe das Glück, dass ich ein sehr gesunder Mensch bin und daher keine KV brauche.»

Tatsächlich sei es so, dass in den USA überall Werbung mit Medikamenten zu sehen ist. «Man will, dass du dich krank fühlst, man will dich beeinflussen und dir aufschwatzen, dass du diese und jene Krankheit hast. Das ist bei unserem Gesundheitssystem fatal. Vor allem wenn man bedenkt, wie gross die Kosten für die Behandlung in einem Spital sein können. Insbesondere, wenn man nicht versichert ist.»

  • Die Kanone vor dem Haus ist fast schon charakteristisch. Bild: zVg
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  • Zwei Autos für eine Person? In den USA normal. Bild: zVg
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  • Die Liebe für das klassische Automobil begleitete Kriftner auch in die USA. Bild: zVg
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  • Und auch ein Traktor gehört zur Flotte. Bild: zVg
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Bürokratie gegen absolute Freiheit

Warum also tut man sich im Alter eine solche Unsicherheit an? «Es ist ganz einfach: Ich brauche das nicht und kann daher jeden Monat viel Geld sparen. Ausserdem bin ich so gesund, dass ich keine Behandlungen für gar nix brauche.» Es ist diese Freiheit in grundsätzlich allem, was man tut, die Kriftner dermassen fasziniert. «In der sehr engstirnigen und bürokratischen Schweiz wird man sicher sehr behütet, doch man hat auch viele Ausgaben, die sich rein theoretisch vermeiden liessen.»

Die USA sind also nicht für jedermann gedacht. «Man muss sich sicher sein, worauf man sich hier einlässt.» Auf der einen Seite wird man durch die Regierung kaum bevormundet und kann seine Freiheit komplett ausleben. Auf der anderen Seite bedeutet diese fehlende Bevormundung aber auch, dass man schnell auch fallen gelassen werden kann und selber wieder auf die Beine kommen muss, weil der Staat gar nichts oder nur wenig dafür tut, den Fall beispielsweise nach einem Jobverlust wieder abzufedern.

  • Kriftner im Gespräch mit einem lokalen Politiker. Bild: zVg
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  • Und auch einen Brief von Trump bekam Kriftner schon. Bild: zVg
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Die lokale Feuerwehr wiederaufleben lassen

Kriftner ist glücklicherweise längst pensioniert und muss von alledem nichts mehr wissen, er kann das Leben auf seiner Ranch geniessen. «Doch auch heute noch trage ich einen wertvollen Dienst zur Gemeinde bei. Ich bin in der lokalen Feuerwehr.»

Bis er diese hat wiederauferstehen lassen, war man in Oplin auf die Nachbargemeinden angewiesen. «Das nächste grosse Zentrum hierbei ist Abilene, mein früherer Wohnort.» Gemeinsam mit anderen Freiwilligen sorgt Kriftner jetzt also für die Abdeckung der Tätigkeiten der Feuerwehr im ganzen Gebiet.

«Spezifisch hier bei uns brennt es glücklicherweise nicht ganz so oft. Daher müssen wir uns meist einfach «nur» um entwischte Tiere und beispielsweise Schlangen in einem Haus kümmern. Ab und an gibt es auch Buschbrände.»

Feuerwehr hilft auch bei Gewaltverbrechen

Was auch sehr spannend zu wissen ist: «Wir werden beispielsweise auch bei Gewaltverbrechen gerufen. Nicht weil wir eine besondere Ausbildung haben oder besonders gut verhandeln können. Es liegt schlicht und einfach daran, dass wir meist schneller als der Sheriff sind und dadurch schon früh am Tatort sein können.» Die Feuerwehr hat daher eine Sicherheitsfunktion. «Wir sind immer bewaffnet unterwegs und zögern auch nicht, diese Waffe einzusetzen.»  

Dennoch ist die Feuerwehr hier eher ein brotloser Job. «Wir bedienen ein Kaff mit 70 Einwohnern. Ausserdem sind wir im absoluten Outback. Dementsprechend fällt auch die Arbeit aus. «Mir wurde einmal eine Führungsposition angeboten. Diese habe ich jedoch abgelehnt, weil ich lieber die Leute ausbilden will. Der Papierkrieg kann mir gestohlen bleiben. Fun fact: Dank mir sind wir die einzige Feuerwehr, die europäische Helme trägt. Diese sind schlicht und einfach moderner als die amerikanischen Pendants.»

  • Zum Fundus von Kriftner gehört auch ein altes Feuerwehrauto. Bild: zVg
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  • Dieses fährt er sogar noch selbst. Bild: zVg
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  • Und zudem ist er auch für die örtliche Feuerwehr zuständig. Bild: zVg
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4th of July – der wichtigste Tag im Jahr

Feuerwehr ist ein gutes Stichwort. Denn zum Zeitpunkt dieser Berichterstattung ist der vierte Juli noch nicht lange vorbei und daher nach wie vor in Erinnerung. «Der vierte Juli ist für uns sowas wie der erste August für die Schweiz. Die USA haben eine sehr bewegte Geschichte, die bis heute in den Menschen weiterlebt und gefeiert wird. Für uns ist der vierte Juli also nicht nur ein Tag, an dem gefeiert und gegessen wird. Es ist auch einer, an dem wir uns an die Geschichte erinnern und denen gedenken, die dieses Land mit ihrem Blut und ihrem Tatendrang so gross gemacht haben.» Zu diesem Nationalfeiertag gehört unter anderem auch ein riesiges Feuerwerk, das allerorts abgebrannt wird.

Kriftner selbst habe den vierten Juli alleine verbracht. «Schliesslich musste ich nach meinen Kühen schauen und auch immer in Bereitschaft sein, falls irgendwo ein Feuer ausbricht.» Denn Feuerwerk war nur in den nördlichen Teilen der USA erlaubt. «Hier bei uns ist die Feuergefahr aufgrund der anhaltenden Trockenheit und vor allem der Hitze einfach zu gross.»

Doch davon liessen sich die Amerikaner und insbesondere auch die Texaner nicht abbringen. «Rund 55 Millionen Leute waren unterwegs. Davon acht Millionen mit dem Flugzeug. Das ganze Land war in Bewegung. Das zeigt, wie patriotisch die USA sind. Da treffen sich bis zu 200 Leute mit der ganzen Familie, um gemeinsam zu essen, zu feiern und auch einfach um eine gute Zeit zu haben.»

Eine Mauer nach Kalifornien

Dieser Tag bedeutet den Amerikanern sehr viel. Den Texanern aber nochmal besonders viel mehr. Sind sie doch Patrioten mit Leib und Seele – auch was den Lokalpatriotismus angeht. «Wir mögen die Kalifornier beispielsweise überhaupt nicht. Denn ihr politisches System kommt dem der Schweiz sehr nahe. Sie sind also weniger freigeistig als wir. Scherzhaft sagen wir, dass wir nicht nur nach Mexiko, sondern auch nach Kalifornien eine Mauer brauchen.»

Auch die Kirche spielt bei den Südstaatlern eine grosse Rolle. «Früher als man noch keine Autos hatte und weit auseinanderwohnte, war die Kirche DER Treffpunkt schlechthin. Hier konnte man all seine Nachbarn sehen, sich austauschen und gemeinsam eine gute Zeit verbringen. Daher steht die Kirche nicht nur für Religion, sondern auch für Gemeinschaft. Ich persönlich bin aber Atheist.»

Wenn Kriftner aber dennoch unter die Leute gehen will, so hat er diverse Möglichkeiten trotz relativer Abgeschiedenheit. «Die Opline Dance Hall war unser Treffpunkt. In der ehemaligen Schule traf man sich zum gemeinsamen Tanzen und Spass haben. Hier war jedes Wochenende was los. Mittlerweile ist es aber leider ruhig geworden. Nur noch zwei Mal im Monat findet hier eine Veranstaltung statt.»

  • Die Waffenvielfalt im Fundus von Kriftner ist vielfältig. Bild: zVg
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  • Neue Besucher werden direkt von einer Kanone begrüsst. Bild: zVg
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  • Mitten auf seinem Grundstück steht ausserdem auch eine Ölbohrmaschine. Bild: zVg
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Ab in die Geisterbahn

Ausserdem fährt er auch zwei Mal in der Woche nach Abilene, seiner neuen, alten Heimat. «Wenn ich in Abilene bin, gehe ich meistens in das Restaurant Golden Corral. Hier hat es so viele dicke Leute, dass ich das Restaurant nur noch als Geisterbahn bezeichne. Wuuuuaaaaah! Ausserdem führe ich immer auch eine Pistole mit mir. Die Leute stört das nicht; sie fühlen sich sogar sicherer, wenn jemand mit einer Waffe im Raum ist.»

Man kann also sagen, dass Kriftner mittlerweile zu einem wahren Texaner geworden ist – und ein waschechter Patriot. Texas gibt ihm all das, was er von der Schweiz und leider auch vom Rheintal nicht mehr bekommen hat.

An dieser Stelle endet die offizielle Aufarbeitung der Geschichte. Wir bedanken uns bei allen Lesern für die uns geschenkte Aufmerksamkeit.

Über die Serie «Alfred Kriftner – Ein Rheintaler in Texas»

Jeweils am Freitag wurde eine neue Episode der Serie publiziert. Die Artikel folgten dabei chronologisch dem Leben von Kriftner und wortwörtlich von St.Margrethen bis nach Oplin in Texas. Mit diesem Artikel findet die Serie jetzt ein Ende. Vielen Dank, dass Sie uns bis hierher begleitet haben.

Sämtliche Artikel können Sie auch im Dossier «Alfred Kriftner – Ein Rheintaler in Texas» nachlesen.

Fabian Alexander Meyer/Rheintal24