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St. Margrethen
21.09.2024
20.09.2024 13:30 Uhr

Alfred Kriftner Teil III: «Scheinasylanten und Kriminaltouristen»

Alfred Kriftner
Alfred Kriftner Bild: zVg
Auf die Lehre folgte schon bald auch das erste politische Engagement von Kriftner. Doch mit dem Schritt in die Politik kam auch ein einschneidendes Erlebnis. Eines, das mitunter dazu beigetragen hat, dass Kriftner die Schweiz verlässt.

Über die Serie «Alfred Kriftner – Ein Rheintaler in Texas»

Jeweils am Dienstag und am Samstag wird eine neue Episode der Serie publiziert. Die Artikel folgen dabei chronologisch dem Leben von Kriftner und wortwörtlich von St.Margrethen bis nach Oplin in Texas. Seien Sie auch in der kommenden Woche wieder mit dabei. 

Sämtliche Artikel können Sie nach der Veröffentlichung auch im Dossier «Alfred Kriftner – Ein Rheintaler in Texas» nachlesen.

«Mit 25 Jahren habe ich im Rheintal meine erste eigene Werkstatt aufgemacht. Ich konnte verschiedene Arbeiten erledigen und es lief gut.» Jedenfalls bis zu einem schicksalhaften Tag. «Als ich an einem wunderschönen Wochentag in meiner Werkstatt war und gerade an einer Drehbank arbeitete, hörte ich im Radio die schlechten Nachrichten», erzählt Kriftner.

Der Moderator verkündete damals lautstark, dass ab sofort sämtliche Autos ohne einen Katalysator mit einer Strafsteuer belegt werden. «Das hat mir den Rest gegeben. Ich habe mich sofort nach oben ins Büro begeben und mich mit der Autopartei in Verbindung gesetzt, damit ich dieser so schnell wie möglich beitreten konnte. Das kann es doch einfach nicht sein.»

Doch warum diese Wut? Dieser Bescheid kommt nicht von ungefähr. «Wer früher ein amerikanisches Auto importieren und hier zulassen wollte, musste den Katalysator entfernen lassen. Und jetzt kommt man auf die Idee und will diejenigen büssen, die keinen Katalysator haben? Ich konnte es einfach nicht fassen.» Und doch war es so. Und als Kriftner seinen Unmut am Telefon gegenüber der Autopartei äussert, wird er mit offenen Armen empfangen. «Es dauerte nur eine ganz kurze Zeit und schon war ich Mitglied der Autopartei.» In dem Sinne also wortwörtlich von einem Augenblick auf den nächsten.

Chassis eines Jeep's mit dem Kriftner ca. 1/2 Mio. km gefahren ist. Bild: zVg

Starke Verbündete

Mit der Autopartei hat er Verbündete gefunden, die ihn und seine Interessen gut repräsentieren. «Ich bin eigentlich nicht der Typ für sowas, aber ich habe mich gedrängt gefühlt, jetzt etwas zu unternehmen. Und da war die Politik einfach der logische Schritt für mich.» Damit startete seine politische Karriere also wortwörtlich über den Nachmittag. «Doch aller Anfang war schwer.» So hätten die Rheintaler den Autoparteiler am Anfang noch für einen Grünen gehalten, obwohl er das absolute Gegenteil davon war: «Das fing alles damit an, dass ich an einer Gemeindeversammlung gegen das Streuen von Salz gewettert habe. Die Anwesenden dachten, dass es mir hierbei um die Auswirkungen auf die Umwelt ging. Doch tatsächlich war es so, dass ich mich darüber beklagen wollte, dass mein Auto aufgrund des Salzes schneller rostet.»

Mit der Autopartei hat Kriftner starke Verbündete gefunden. Und so dauerte es nicht lange, bis er schnell eine Führungsposition innerhalb der kantonalen Sektion einnehmen konnte. «Von da an wurde ich an diverse Treffen eingeladen. Auch wenn es nur wenige Leute waren, so waren diese extrem aktiv und wollten wirklich etwas verändern. Ich habe bis heute Hochachtung vor allen. Insbesondere Rene Hutter mit seiner Firma «Hutter Baumaschinen Altstätten» ist eines meiner Vorbilder.» Hutter war der Vater von Jasmin Hutter, die lange Zeit im Nationalrat tätig war. Roland Rino Büchel rutschte anschliessend für sie nach.

So sah er aus, nachdem er ihn 1981 komplett aus rostsicherem Stahl in Handarbeit neu gebaut hat. Bild: zVg

Mit Fakten provozieren

Ein besonders berühmtes Filmzitat besagt «Aus grosser Kraft kommt grosse Verantwortung.» Für diejenigen, die es nicht wissen: Das sind die letzten Worte, die Uncle Ben an den Spider-Man Peter Parker vor seinem Ableben berichtet. Und genau das lässt sich auch auf Kriftner und seine damalige Position in der Politik übertragen. «Mit meiner Führungsposition hatte ich auch die Befugnis, unsere Öffentlichkeitsarbeit zu machen. Und ich habe sehr gerne provoziert. Aber immer mit Fakten!»

Zu seiner morgendlichen Lektüre und dementsprechend auch zum Faktencheck gehörte die Konsultation der Rheintaler Zeitungen. «Immer wieder gab es dabei Parteien und Leser, die gegen uns geschossen haben.» Da Kriftner als Führungsperson der Autopartei nicht noch lange eine Antwort zur Kontrolle herumreichen musste, konnte er noch in der gleichen Stunde ein Antwortschreiben verfassen und damit den anderen Parteien vor den Bug schiessen. «Das war sehr zum Missfallen der Parteien.» Zeitweise sei daraus auch ein Kleinkrieg entbrannt, der Seinesgleichen suchte. «Ich habe mich schnell provozieren lassen und mindestens so schnell provoziert.»

Was Kriftner alles geleistet hat

Doch neben den Provokationen leistete Kriftner in seiner Zeit Grosses. «Beispielsweise in St.Margrethen habe ich ordentlich Eindruck hinterlassen.» Das beste Beispiel: «Damals sollte ein Sekundarschulhaus abgerissen werden und einem Neubau weichen. Doch ich wehrte mich von Anfang bis Ende dagegen. Und am Schluss bei der Abstimmung lief es darauf hinaus, dass meine Partei den entscheidenden Unterschied machte und den Abriss verhinderte.» Und siehe da; das Gebäude steht heute noch.

Ein anderes Beispiel ist der Englischunterricht an den Schulen: «Ich setzte mich dafür ein, dass die Grundschüler Englisch als primäre Fremdsprache lernten, statt Französisch.» Auch wenn das keine direkte Landessprache der Schweiz ist, so ist Englisch dennoch breiter und nahezu auf der ganzen Welt einsetzbar. «Und bis heute wird primär Englisch unterrichtet!»

Und wer könnte die Verwahrungsinitiative vergessen: «Dabei ging es darum, ob man Wiederholungstäter von besonders schweren Taten nicht mehr aus dem Gefängnis entlassen soll. Wir haben ordentlich Werbung dafür gemacht und auch den Kontakt zu anderen Parteien hergestellt.» Und siehe da: Am Schluss konnten die Befürworter der Verwahrungsinitiative einen haushohen Sieg einfahren.

«Die Druckerei hat es tatsächlich geschafft, von Tamiltouristen statt Kriminaltouristen zu sprechen!»
Alfred Kriftner

Fataler Fehler mit schlimmen Folgen

Doch nicht alles lief immer so gut. Provokationen gehörten bei der Partei allgemein dazu. Und eines Tages wurde eine solche Kriftner gar zum Verhängnis. Doch der Reihe nach. Als die Nationalratswahlen vor der Tür standen, wurde Kriftner dafür beauftragt, hier eine Wahlkampagne zu machen. «Gemeinsam mit anderen Parteimitgliedern arbeiteten wir ein Wahlformular aus. Eines Tages, kurz vor der Druckübergabe, kam der Befehl, dass man noch einen wichtigen Satz aufnehmen soll: Ärgern Sie sich auch über Scheinasylanten und Kriminaltouristen?» Da man kurz vor der Druckübergabe stand und es damals noch kein Internet gab, «musste ich die Änderungen telefonisch durchgeben. Die junge Frau am Telefon nahm die Änderungen entgegen und leitete sie weiter.»

Doch es dauerte nicht lange, bis das Gut zum Druck bei Kriftner im Briefkasten lag. «Mich traf fast der Schlag, als ich gesehen habe, dass die Druckerei es tatsächlich geschafft hat, von Tamiltouristen statt Kriminaltouristen zu sprechen!» Da es aber ein einziges Wort innerhalb von rund tausend anderen Wörtern war, sah Kriftner darüber hinweg. Gebracht hätte eine Beschwerde aber ohnehin nicht viel – denn waren die Flyer ohnehin bereits gedruckt. Zwar ist Kriftner sauer über den Schreibfehler, gleichzeitig ist er aber auch optimistisch, schliesslich ist der Fehler nur klein. Denkt er jedenfalls. Dieser Schreibfehler wird sich noch unfassbar rächen. Und ist einer der Gründe, weshalb Kriftner sich dazu entschied, die Schweiz zu verlassen.

Und noch ein Fahrzeug, welches er restauriert hat: AMC Javelin 360 SST, Mod. 1971. Bild: zVg

Erst Schuld- und dann Freispruch

Kriftner dachte, dass es niemandem auffällt; schliesslich ist es eines von tausend Worten. Da wird es sicher in der Masse untergehen. «Doch dem war nicht so. Eine Partei aus dem Toggenburg kriegte einen Abzug in die Hände und hatte offensichtlich nichts Besseres zu tun, als uns deswegen wegen Rassismus anzuzeigen. Letztendlich mussten wir vor Gericht antraben. Das esch so verdammt bereweich.» Doch aus grosser Kraft folgt grosse Verantwortung. «Daher musste ich den Kopf hinhalten. Als ich beim Richter ankam und seinen Namen hörte, kam ich nicht umhin, zu fragen, ob er mich angezeigt hatte.» Denn der Richter und der Anzeigensteller teilten sich den Namen. «Doch eine solche Frage vor Gericht… Ich weiss ja nicht.»

Fakt ist: «Ich wurde vom Bezirksgericht St.Gallen schuldig gesprochen und war damit der erste Politiker in der Schweiz, der einen Schuldspruch wegen Rassismus kassierte. Man wollte an uns ein Exempel statuieren.» Doch lange bleibt es nicht so düster: Denn dank einer Ausstrahlung im SRF fand der Rheintaler in der ganzen Schweiz Sympathisanten, welche wiederum einen weiteren Gerichtstermin forcieren konnten. «Zweitinstanzlich wurde ich dann wieder freigesprochen und hatte wieder eine weisse Weste. Nichtsdestotrotz ging Kriftner damit in die Geschichte ein.

«Letztendlich mussten wir vor Gericht antraben. Das esch so verdammt bereweich.»
Alfred Kriftner

Freigeist sein und sein dürfen

«Für mich war das aber einer der vielen Tropfen, die das Fass zum Überlaufen brachten. Ich wusste, dass ich nicht länger in der Schweiz leben wollte.» Unter anderem deswegen fasste er den Entschluss, nach Amerika auszuwandern und dort ein neues Leben zu beginnen. «In diesem Land kann man noch ein absoluter Freigeist sein. Und während ich hier mit meiner politischen Meinung in der Minderheit war, gehöre ich in Texas zur absoluten Mehrheit und konnte viele Gleichgesinnte treffen.

«Das Land Amerika mit seiner grenzenlosen Freiheit übte für mich nach der sehr konservativen und teils auch engstirnigen Schweiz einen so grossen Reiz aus, dass ich wusste, dass ich mir die Schweiz nicht länger antun möchte. Ich habe hier in Amerika meinen neuen Lebensmittelpunkt gefunden und könnte nicht glücklicher sein.» Doch der Weg dorthin ist Teil der nächsten Geschichte…

Fabian Alexander Meyer/Rheintal24