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Walzenhausen
25.06.2024
25.06.2024 11:41 Uhr

150 Jahre Almendsberg: Vom Armenhaus zum Alterswohnheim

Nach dem Brand von 1962 erhielt das Haus im Almendsberg sein heutiges Aussehen und wandelte sich zum wohnlichen Heim für Betagte.
Nach dem Brand von 1962 erhielt das Haus im Almendsberg sein heutiges Aussehen und wandelte sich zum wohnlichen Heim für Betagte. Bild: Peter Eggenberger
1874 kaufte die Gemeinde Walzenhausen ein stattliches Stickereigebäude im Almendesberg, um hier eine Anstalt für Armengenössige und Waisenkinder einzurichten. Nach zwei Brandkatastrophen und unzähligen Neuerungen ist das Haus im Verlaufe seiner 150-jährigen Geschichte zum heimeligen Alterswohnheim geworden.

Früher wurden Bedürftige vielfach ihrem Schicksal überlassen. Dieser unhaltbare Zustand führte um das Jahr 1830 zur Einrichtung eines Armenhauses im Wilen. Rasch war das einfache Appenzellerhaus (es wurde 1970 abgebrochen) überfüllt und zu klein.

Als alt Grossrat J. Niederer-Joos dem Gemeinderat sein grosszügiges Wohn- und Geschäftshaus im Almendsberg zum Kauf anbot, stimmte die Kirchhöre (Gemeindeversammlung) am 11. Januar 1874 dem Erwerb und dem Kaufpreis von 28000 Franken zu. Nach Umbau- und Einrichtungsarbeiten konnte das Haus einige Monate später von verarmten Einwohnern und Waisenkindern bezogen werden.

80 Rappen Lohn für zehn Stunden Arbeit

In den Mehrbettzimmern und Nebenräumen herrschten enge Verhältnisse, zumal laufend armengenössige Gemeindebürger von auswärts ins Armenhaus eingewiesen wurden. Die Bewohner hatten sich an eine strikte Hausordnung zu halten und waren zur Mitarbeit im hauseigenen Landwirtschaftsbetrieb, der Haushaltung und der Kehrichtabfuhr gezwungen.

Für die in Walzenhausen verbreitetet Textilindustrie hatten Insassinnen Heimarbeit zu leisten, wobei die Zwirnereibesitzer im Jahr 1907 einen zehnstündigen Arbeitstag mit schäbigen 80 Rappen entlöhnten.

Das 1874 in eine Heimstatt für Armengenössige umgewandelte Stickerei- und Wohngebäude im Almendsberg war ein stattliches Doppelhaus mit Kreuzfirstdach. Bild: Peter Eggenberger

Zwei Brandkatastrophen

Im Holzgebäude war die Brandgefahr alltäglich, zumal verbotenerweise immer wieder auch im Hausinnern geraucht wurde. In der Nacht vom 30. Dezember 1909 brannte das Armenhaus nieder. Zwei Bewohnerinnen konnten nur noch tot geborgen werden.

Nach dem Wiederaufbau wütete am 21. August 1962 im Almendsberg erneut der rote Hahn, wobei die Zerstörung wiederum gross war. Im Rahmen der Erneuerung wurde das frühere Doppelkreuzfirstdach durch das heutige Satteldach ersetzt und die Südfassade mit Balkonen ergänzt.

Neues Ehepaar-Studio mit Seesicht

Laufend wurden in den Folgejahren Neuerungen wie Lift und viele andere realisiert. «Eben haben wir ein komfortables Studio für ein Ehepaar verwirklicht», freut sich der seit September 2021 im Almendsberg tätige Heimleiter Remo Jucker. Das 28 Pensionären Platz bietende Haus ist zudem eine bedeutende Arbeitgeberin, werden doch im Almendsberg 39 in Voll- und Teilzeit tätige Fachkräfte beschäftigt.

Separates Gebäude für Waisenkinder

Häufig war das Armenhaus im Almendsberg überbelegt, und die überall herrschende Enge führte immer wieder zu Reibereien zwischen erwachsenen Insassen und Waisenkindern.

Dieser unhaltbare Zustand führte im Wilen zum Bau eines Waisenhauses, das 1906 bezugsbereit war. Zeitweilig lebten hier bis zu sechzig Kinder und Jugendliche. Die Aufhebung des Waisenhauses erfolgte 1969, und seither dient das stattliche Gebäude als Schulhaus.

Peter Eggenberger