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Walzenhausen
13.06.2024
19.06.2024 16:12 Uhr

Zwei grosse Jubiläen der Landeskirchen in Walzenhausen

Martin Küssner, Thomas Berchtold, Klaus Stahlberger und Claudia Frigg.
Martin Küssner, Thomas Berchtold, Klaus Stahlberger und Claudia Frigg. Bild: zVg
Die evang. ref. Kirche Walzenhausen feierte die Reformation im Appenzellerland vor 500 Jahren mit einem Kinderprogramm sowie einem brillanten Orgelkonzert. Danach folgte das spannende Referat von Pfarrer Klaus Stahlberger, St. Gallen. Am Sonntag gedachte die Exklave Kloster St. Ottilia Grimmenstein, dass vor 600 Jahren das Anwesen der Schwesternschaft offiziell übergeben worden war.

Das gibt es wohl nur einmal im Appenzellerland: In Walzenhausen feierten beide Landeskirchen an einem Wochenende grosse Jubiläen. Der gegenseitige Besuch zeigte auf, wie verbunden die Kirchgemeinden heute sind. Zahlreiche Anlässe werden ökumenisch abgehalten. Vergangenen Samstag lud die evang. ref. Kirche anlässlich von 500 Jahren Reformation im Appenzellerland vorerst zur Chuddelmuddel-Chile ein.

Dies ist ein ökumenischer Anlass, der wiederholt stattfindet. Nach der Begrüssung durch Präsidentin Claudia Frigg wurden den Kindern und begleitenden Erwachsenen in einem Zwiegespräch die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Landeskirchen aufgezeigt. Danach folgten ein Quiz, Spiele und es entstanden bunte Kirchen.

Im zweiten Teil besuchte die Orgelmaus Organist Martin Küssner. Er beantwortete deren Fragen. Erklärte, dass es sich um Pfeifen und nicht um Flöten handle, diese aus Metall oder Holz seien, welche verschiedene Klangfarben hätten. So könne auch mittels Register sehr unterschiedliche Musik gespielt werden. Zum Schluss durften die Kinder gar ins Innere der Orgel schauen. Wie bereits eingangs gesungen worden war, galt: «Mir ghöred alli zsäme», so auch beim gemeinsamen Mittagessen.

Gemeinsam wurden Kirchen gebaut. Bild: zVg

Phänomenales Orgelkonzert mit Violoncello

Gegen Vesper begann der zweite Teil der Feier 500 Jahre Reformation im Appenzellerland. Das Motto hiess «Dem Himmel so nah». Kirchturmaktivitäten und –geschichten waren gefragt. Dazu Claudia Frigg: «Wir haben den Walzenhauser Kirchturm in die Kirche gebracht.» Gemeint war ein Fotowettbewerb zum Thema Kirchturm. Gewonnen hat Anita Litscher. Was dann folgte, war ein Hochgenuss.

Thomas Berchtold, Violoncello, und Martin Küssner, Orgel, gaben auf Wunsch von Claudia Frigg zur Feier des Tages ein Konzert der Sonderklasse. «Ein Bumenstrauss», nannte es Michael Weber, selber Sänger und Dirigent. Adrian Keller war ebenfalls begeistert vom satten Ton des Violoncello und dem Zusammenspiel der beiden begnadeten Musiker. Das Konzert war vielseitig und farbig. «Es gab von allem etwas», so Weber. Zum Schluss erhielten Berchtold und Küssner tosenden Applaus und eine Standing Ovation.

Die wissbegierige Orgelmaus (Susanne Jankovics) stellte Fragen. Bild: zVg

Die Heiligen wurden arbeitslos

Pfarrer Klaus Stahlberger, St. Gallen, blickte in die Geschichte zurück. Das politische Zentrum war einst Appenzell, das wirtschaftliche St. Gallen; die Region Vorderland geprägt von Milchwirtschaft und Leinwandproduktion. Ab 1470 wurden im Appenzellerland eigene Pfarreien gebildet, ab 1475 Priester berufen. Die Ablösung von St. Gallen begann. In dieser unruhigen Zeit kehrte 1518 Joachim von Watt, genannt Vadian, zurück nach St. Gallen.

Sein Anliegen: Die Zugänglichkeit der Bibel für alle und damit das Lesen der Bibel in Deutsch. Er führte auch deshalb die Schulpflicht für Mädchen und Buben in St. Gallen ein. Eine Disputation – grosse Versammlung - 1524 in Appenzell scheiterte, Neugläubige erhielten keine Unterstützung von den Katholiken. 1525 wurde entschieden, dass die Kirchhöre über die Konfession jedes Dorfes entscheidet. Wer andersgläubig war, durfte den Gottesdienst andernorts besuchen. Dieses Experiment dauerte 70 Jahre. 1598 erfolgte auf Druck der Eidgenossenschaft die Landteilung, dann brach 1618 der 30-jährige Krieg zuerst als Religions- dann als Territorialkrieg in Europa aus.

Das reformierte Gebiet Unterer Hirschberg hielt die Gottesdienste im alten Kirchlein (der katholischen Kirchgemeinde) in St. Margrethen ab. Die nacheinander stattfindenden Gottesdienste wurden gegenseitig immer mehr gestört, weshalb 1638 in nur neun Monaten eine eigene Kirche gebaut wurde und damit Walzenhausen gegründet war. Zum Schluss kam Stahlberger zurück auf seinen Untertitel «Die Heiligen wurden arbeitslos».

Das reformierte Selbstverständnis prägen drei Merkmale: Die Bedeutung der direkten, persönlichen Beziehung zu Gott ohne Vermittlung von Priestern und Sakramenten, die Bedeutung der Heiligen Schrift als höchste Autorität sowie die Individualität und die Vielfalt innerhalb der reformatorischen Bewegung mit den vielen Prägungen. Die Appenzeller gäben dabei ein bemerkenswertes Beispiel ab.

pd/rheintal24.ch