Roland Rino Büchel, die Weltgesundheitsorganisation WHO hat Corona für beendet erklärt. Das Leben wird weltweit wieder normal.
Es wird langsam Zeit.
Sie haben schon öfter gesagt, dass die Stunde der «alten Politschlachtrösser wieder schlagen werde, sobald dieser Spuk vorbei sei».
Ich bin davon überzeugt, dass politische Dinge nach all den Verwerfungen wieder ins Lot kommen werden. Das ist dringend notwendig.
Weshalb?
Wir steuern auf wirtschaftlich schwierige Zeiten zu. Da sind, gerade in der Politik, wieder Realisten mit Lebenserfahrung gefragt.
Wenn sie wieder Boden gut machen wollen, dann müssen die «alten Schlachtrösser» jetzt unter das Volk. Nun hat man Sie an der Rheintaler Messe Rhema in den letzten beiden Wochen jedoch wenig gesehen.
Die Rhema hat im Rheintal Kultcharakter. Die Messe war mit über 40'000 Besuchern auch in diesem Jahr wieder ein Erfolg. Ich wäre gerne öfter dort gewesen. Aber es ging leider nicht.
Warum?
Am Rhema-Eröffnungstag musste ich in die SRF-Arena. Eine der Gegnerinnen war Jacqueline Badran von der SP.
Die Sendung hatte teilweise fast schon Hollywood-Charakter. Fühlte es sich für Sie im Studio auch so an?
Moderator Sandro Brotz fiel wegen einer Krankheit aus. Der Ersatz griff bei den Badran-Monologen zu wenig energisch ein. Trotzdem kamen die Argumente von Badran und mir bei den Zuschauern offenbar an.
Zurück zur Rhema.
Am Samstag hatten wir dann die Hauptversammlung des Hauseigentümerverbands HEV Oberrheintal. Dann kam es zu einem Vorfall mit meinem linken Auge. Nachher war ich trotzdem für ein paar Stunden am Stand der SVP Rheintal.
Da war das Auge schon lädiert. Dazu kommen wir noch. Bleiben wir kurz bei der HV des HEV Oberrheintal. Mit Prof. Dr. Donato Scognamiglio hatte der HEV einen kompetenten und unterhaltsamen Redner engagiert. Wie gelingt so ein «Coup»?
Wir haben einen Vorstand mit guten Beziehungen auf verschiedenen Ebenen. Donato Scognamiglio ist ohne Zweifel einer der anerkanntesten Immobilienexperten der Schweiz. Er ist übrigens kürzlich für die Evangelische Volkspartei EVP in den Zürcher Kantonsrat gewählt worden.
Weshalb politisiert eine Persönlichkeit wie Scognamiglio in der Nischenpartei EVP?
Die EVP mag eine kleine Partei sein. Aber im Gegensatz zu einigen Bling-Bling-Politikern vertritt sie klare Werte. Mit den drei EVP-Kollegen im Nationalrat kann ich es gut. Donato Scognamiglio teilt deren christliche Werte und passt deshalb, denke ich, gut in die Partei.
Vielleicht ist Scognamiglio bald Mitglied des Nationalrats?
Sein Wissen täte dem Parlament gut. Aber leider wird eine andere Persönlichkeit, der St.Galler Virologe Prof. Dr. Pietro Vernazza, nicht Nationalrat für die GLP; die Partei hat ihn nicht aufgestellt.
Heute berichten «Tagesanzeiger», «NZZ» und «Blick» gross über seine Ausbootung. Es war vor vier Jahren während des Ständeratswahlkampfs mit Pietro Vernazza, Franziska Ryser, Marcel Dobler und Ihnen spürbar, dass Sie einander mochten und respektierten.
Das war und ist so. Die Grünliberale Partei GLP des Kantons St.Gallen glaubt aber, zwölf bessere Kandidaten als Pietro Vernazza zu haben.
Ist es nicht so, dass man sich in der Schweiz an neue Leute in wichtigen Positionen gewöhnt?
Ich würde sagen, dass es während der Corona-Zeit die eine oder andere Person ins Rampenlicht gespült hat, die in normalen Zeiten weniger Aufmerksamkeit bekommen hätte.
Setzen sich denn andere Leute durch, wenn die Kommunikation vornehmlich via Computer läuft anstatt über den direkten Kontakt?
Definitiv. Das Ergebnis des St.Galler Ständeratswahlkampfs hat dies bestätigt. Die bodenständige Esther Friedli, die bei den Menschen gut ankommt, hat ihre Widersacherin Barbara Gysi klar hinter sich gelassen.
Die Lebenspartnerin von Toni Brunner löst Paul Rechsteiner ab. Wie wird sich der Wechsel vom SP-Gewerkschafter zur SVP-Gastronomin auswirken?
Toni Brunner, Thomas Müller und auch ich selbst waren Paul Rechsteiner in vorangehenden Wahlkämpfen unterlegen. Esther hat den Ständeratssitz auch dank ihrer ausserordentlichen Einsatzbereitschaft erobert.
Das Resultat entsprach fast genau dem, was Sie vorausgesagt hatten. Zufall?
Wenn mich die St.Gallerinnen und St.Galler eines Tages nicht mehr als Politiker wollen, kann ich mich ja als Prognosesteller melden … Aber es ist so, ja: Ich hatte schon am Sonntag nach dem ersten Wahlgang gesagt, dass Esther etwa die Hälfte mehr Stimmen holen würde als ihre Konkurrentin. Das ist so eingetroffen.
Wie wird die SVP bei den Wahlen im Herbst abschneiden?
Sehr gut, wenn wir konsequent zu unserer Politik stehen, die Liste intelligent zusammenstellen und die richtigen Listenverbindungen eingehen. Die Interessen des Landes und der Partei sind wichtiger als diejenigen einzelner Kandidaten.
Sie selbst sind, wie erwähnt, derzeit handicapiert und waren letzte Woche nicht an der Sondersession des Nationalrats in Bern. Warum?
Der Grund ist der erwähnte Vorfall am Auge und die notfallmässige Augenoperation von Anfang letzter Woche. Leider fiel ich dann nicht nur für die Session, sondern auch für die zweite Rhema-Woche aus. Und für verschiedene Anlässe wie etwa den Besuch von Bundesrat Albert Rösti an der SVP-Churfirsten-Tagung vom letzten Freitag in Wattwil.
Sind Sie bald wieder auf dem Damm?
Ich werde mich noch für eine gewisse Zeit ruhig verhalten müssen. Aber ich habe mich so organisiert, dass ich das Wichtigste der Arbeit erledigen kann.
Sind Auftritte möglich?
Solche liegen derzeit nicht drin. Das operierte Auge muss sich erholen und die Sehkraft zurückgewinnen. Weil ich mit dem anderen Auge ohnehin nur etwa zwanzig Prozent sehe, kann ich im Moment weder lesen noch schreiben.
Wo werden solche Augenoperationen durchgeführt?
Am Kantonsspital St.Gallen. Bei komplizierten Netzhautoperationen geht es schnell einmal um die Frage: Wird der Patient blind oder nicht? Wir haben das Glück, dass mit Prof. Dr. Christophe Valmaggia ein hervorragender Mann Chef der Augenklinik ist. Solche Persönlichkeiten sind ein Segen für die Ostschweiz.
Themawechsel: Die Büros des National- und des Ständerats haben beschlossen, dass der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski im eidgenössischen Parlament einen Auftritt haben wird. Ungewöhnlich?
Ja. Und unklug, dass das zugelassen wird. Ich bin Mitglied des Büros des Nationalrats. Leider konnte ich wegen des Vorfalls am Auge an der Sitzung vom letzten Freitag nicht dabei sein und dagegenhalten.
Wie läuft der Selenski-Auftritt ab?
Er wird per Video zugeschaltet. Und er wird nicht während der offiziellen Session zum Rat sprechen. Trotzdem ist der Auftritt falsch.
Warum?
Bei einer sauberen Gewaltentrennung haben Exekutivpolitiker in der Parlamentskammer grundsätzlich nichts zu suchen.
Nichts?
Ihr Platz ist auf der Ehrentribüne, die für hochrangige Gäste vorgesehen ist.
Aber unsere Bundesräte kommen ja auch in den Nationalrats- und den Ständeratssaal?
Ja, wenn sie dem Parlament Rechenschaft ablegen müssen. Oder bei ihren Antritts- und Rücktrittsreden.
Das tönt sehr kategorisch.
Es geht um eine saubere Gewaltentrennung im Rechtsstaat. Die parlamentarische Arbeit wird in der Schweiz von den 246 gewählten National- und Ständeräten gemacht.
Diesen Eindruck hatte man während der Coronazeit nicht immer.
Das muss korrigiert werden.
Wie sehen Sie den Auftritt des Liechtensteinischen Landtagspräsidenten Albert Frick im Nationalratssaal?
Sehr positiv. Er wird während der Sommersession eine Rede halten, und zwar anlässlich des 100-Jahre-Jubiläums des Zollvertrags zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein. Albert Frick ist Parlamentarier und nicht wie Selenski Staatschef einer Kriegspartei.
Er schildert die Situation aus ukrainischer Sicht. Und die Russen? Wollen Sie sagen, dass die keine Propaganda betreiben?
Auch Vladimir Putin braucht keinen Auftritt in unserem Parlament. Ebenso wenig wie Emmanuel Macron aus Frankreich, Olaf Scholz aus Deutschland, US-Präsident Joe Biden, der Brasilianer Lula da Silva oder der chinesische Staatspräsident Xi Jinping.
Letzte Frage: Heute wurde bekannt, dass die EU-Chefunterhändlerin, Staatssekretärin Livia Leu, ihren Stuhl räumen wird. Ihre Einschätzung dazu?
Ich bin nun seit 13 Jahren Mitglied der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats. Ich hatte immer den Eindruck, dass Frau Leu im Rahmen der politischen Vorgaben gehandelt hat. Sie ist sich im Klaren, was sie mit der EU «sondieren» kann – und was nicht. Das war bei ihren Vorgängern nicht immer der Fall.