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Region Vorderland
07.04.2023
19.06.2024 16:30 Uhr

Restaurant Wirtschaft Rossbüchel setzt auf Vier-Tage-Woche

Chef de Service Pascal Ledergerber (links) und Küchenchef Simon Keller.
Chef de Service Pascal Ledergerber (links) und Küchenchef Simon Keller. Bild: sir
Das Restaurant Wirtschaft Rossbüchel in Grub SG bietet seinen Mitarbeitern die Vier-Tage-Woche an. Küchenchef Simon Keller und der Chef de Service Pascal Ledergerber erklären, wieso sie das machen und wie.

Es soll den Job attraktiver machen und dem Fachkräftemangel entgegenwirken: Immer mehr Betriebe versuchen sich am Modell der Vier-Tage-Woche. Im st.gallischen Grub bei Eggersriet ist die Wirtschaft Rossbüchel einer der Vorreiter und startet damit erstmals in die neue Saison.

Fünf-Tage-Woche als Backup

Im vergangenen Sommer startete die Wirtschaft einen dreiwöchigen Pilotversuch mit dem Vier/Drei-Modell. Da die Mitarbeiter davon überzeugt waren und die Durchführung klappte, wurde das Modell ab Oktober 2022 eingesetzt. Der Deal: Gleicher Lohn, gleiches Pensum, aber auf vier statt fünf Tage verteilt.

Das Vier/Drei-Modell sei im Rossbüchel aber keine Pflicht. «Wenn jemand will, kann man auch eine normale Vollzeitstelle auf fünf Tage verteilt besetzen», sagt der Küchenchef und Co-Gastgeber Simon Keller. Einzig der Lehrtochter ist es nicht erlaubt, drei freie Tage pro Woche zu beziehen. Fast alle restlichen Mitarbeiter wollen in dem neuen System tätig sein.

Damit das auch gut klappt, sind Flexibilität und Spontanität gefordert. Die Kaderleitung plant und nutzt stellenweise den dritten Freitag als «Jokertag». Erwartet das Restaurant überdurchschnittlich hohen Betrieb in der Hauptsaison, sind die Mitarbeiter am Vortag auf Abruf erreichbar. «In 95 Prozent der Fälle geht die Planung aber auf», sagt der Chef de Service Pascal Ledergerber.

Attraktiver Arbeitsplatz

In Grub SG entschied man sich unter anderem aufgrund der erschwerten Mitarbeiterrekrutierung zur Arbeitsumstellung. «Wir wollten den Arbeitsplatz im Rossbüchel attraktiver gestalten», erzählt Keller. Da sich der Arbeitsweg bis zum Rossbüchel umständlich gestaltet, wollte man die Dienste kompakter gestalten. Bisherige Versuche der zeitlichen Umgestaltung funktionierten nicht wie gewünscht.

Als man schliesslich in der letzten Hauptsaison mit einem Saisonnier-Mangel konfrontiert war, wurde die Arbeitswoche umgestellt. Seither bekam die Wirtschaft Rossbüchel deutlich mehr Bewerbungen. «Dieses Modell ist recht ansprechend für potentielle Mitarbeiter», so Keller. Ob der Anstieg nur am neuen System liegt, lasse sich nicht sagen: «Wir rekrutieren exakt über die gleichen Portale wie im Vorjahr.»

Die Umsetzung von der Theorie in die Praxis berge auch Stolpersteine und bedürfe guter Vorbereitung, sind sich Keller und Ledergerber einig. «Wir müssen mit gleich vielen Leuten die Zeit anders auf die Tage verteilen. Da gilt es aufzupassen, dass wir nicht plötzlich mehr Personal rekrutieren für die gleiche Arbeitsleistung.» Diese Aufgabe liege bei der Geschäftsleitung.

  • Im März liegt noch Schnee, wo im Sommer Ausflügler die Sicht auf den See geniessen. Bild: sir
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  • Die Wirtschaft ist mit dem Auto nur über die Fürschwendistrasse erreichbar. Bild: sir
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  • Saisonale Angebote ergänzen die Ganzjahreskarte. Bild: sir
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  • Auf der Terrasse der Wirtschaft Rossbüchel können 120 Gäste Platz nehmen. Bild: sir
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Gleichzeitig müssen die Angestellten ihre Arbeitsprozesse umstellen. In der Küche verschiebt sich die Vorbereitung auf den Mittag- oder Abendservice zeitlich weiter zurück: «Wir arbeiten immer einen Tag im Voraus.» Die Servicemitarbeiter änderten zudem ihre Laufwege, um die Effizienz zu steigern. So passt man sich an einen einfachen Umstand an: «Es gilt, mit gleicher Qualität, aber einer Person weniger die einzelnen Dienste zu leisten», erklärt der Chef de Service.

Da sich die Arbeitszeit pro Woche trotz drei freier Tage nicht verringerte, werden die einzelnen Wochentage länger. Bei einer Präsenzzeit von zwölf Stunden inklusive Pause sei die Müdigkeit eine Herausforderung für alle Beteiligten. Insbesondere an ruhigen Tagen könne auch der Enthusiasmus darunter leiden.

Keine gesetzlichen Grundlagen

Für das Vier/Drei-System gibt es zurzeit in der Gastronomiebranche keine rechtlichen Grundlagen. Die Leitung des Rossbüchels beruft sich daher in Sachen Ruhetageregelung und maximale Arbeitszeit pro Tag – wie alle anderen auch – auf die Arbeitsgesetze. «Das muss man ziemlich ausreizen», sagt Ledergerber. Keller fügt an: «Natürlich wäre es schön, wenn der Verband etwas tun würde und die Arbeitgeber- sowie Arbeitnehmerverträge neu ausgehandelt werden könnten.»

Europaweit sieht das anders aus: In Belgien ist die 38-Stunden-Woche gesetzlich verankert und in Island wurde die Vier-Tage-Woche nach jahrelanger Testphase ebenfalls eingeführt. Hierzulande probierte sich erst die IT-Branche an dem Konzept. Nach der Coronapandemie erhöhte sich die Experimentierfreude und branchenübergreifend ist die Vier-Tage-Woche in einigen Betrieben in Gebrauch.

Positive Bilanz

Die Wirtschaft Rossbüchel nimmt künftig die zusätzliche Organisation und Planung weiter in Kauf: «Wir wollen bei diesem Modell bleiben.» Man habe ausschliesslich positive Rückmeldungen von den Angestellten bekommen. Ebenso sind die Saisonniers im Rossbüchel vom Vier/Drei-Modell überzeugt. Und die Flexibilität mit dem Rückgriff auf eine «normale» Fünf-Tage-Woche bleibt als Backup bestehen.

Ausflugsrestaurant mit Seeblick

Die Wirtschaft Rossbüchel liegt in Grub SG auf dem Hügel – abgelegen, aber mit Seepanorama von der Sommerterrasse. 16 Mitarbeiter in Festanstellung bekommen von Mai bis Oktober Unterstützung zweier Saisonniers. Das Restaurant bewirtschaftet seine Gäste mit einer Ganzjahreskarte und ist im Sommer ein beliebtes Ausflugsziel mit viel Laufkundschaft. Die Produkte werden regional bezogen, vom Metzger, Käser und Weinlieferanten aus dem Dorf und der Umgebung.

Das frühere Restaurant Rossbüchel brannte im Jahr 2009 ab. Nach Jahren einer Brandruine waren an Stelle des Restaurants Luxuswohnungen geplant. Susanne und Martin Knechtli-Kradolfer kauften kurzentschlossen die Rossbüchel AG und errichteten mit dem befreundeten Architekten, Alex Buob, Rorschacherberg, das neue, moderne Ausflugsrestaurant. Seither steht die neue Wirtschaft Rossbüchel der geschätzten Kundschaft aus Nah und Fern als beliebter und kulinarisch ausgezeichneter Aussichtspunkt wieder zur Verfügung.

Simea Rüegg/stgallen24