Kürzlich wollte Herr K.F. aus Widnau seinen Augen kaum trauen. Im Briefkasten fand er ein Schreiben eines Vorarlberger Rechtsanwalts. Der Widnauer habe widerrechtlich an einem Sonntagnachmittag auf dem Parkplatz des „Emspark“ in Hohenems geparkt. Obwohl ein Schild deutlich darauf hinweise, dass das Parken nur während der Geschäftszeiten auf die Dauer von maximal einer Stunde erlaubt sei. Die Grundbesitzerin HF Liegenschaftsvermietungs GmbH fordere ihn daher auf, sich ab sofort jeder weiteren Störung zu enthalten und die von ihm „rechtswidrig und schuldhaft verursachten Kosten sowie die Gebühren für die Auskunft aus der Zulassungsevidenz zu ersetzen.“
Stolzer Betrag für kleines Parkvergehen
Gefordert wurde dann ein „Aufwandersatz“ in Höhe von 200.00 Euro zuzüglich Barauslagen, Lichtbild, Pauschalaufwand an Partei und Umsatzsteuer, insgesamt ein Betrag von 258.10 Euro, was etwa 275 Franken entspricht. Eine stolze Summe für ein kleines Parkvergehen. Die Vorarlberger Rechtsanwaltskammer sieht den Betrag aber für gerechtfertigt an: „Es handelt sich hier nicht um eine Strafe, sondern um einen zivilrechtlichen Anspruch, den der Besitzer geltend macht, weil sein privater Parkplatz oder Parkplatz vor dem Geschäft blockiert wurde. Das macht der Anwalt nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil er den Auftrag dazu bekommen hat. Nach unseren Erfahrungen variieren die Kosten zwischen 220 und 280 Euro, was sich aus dem Anspruch des Geschädigten und den Anwaltskosten ergibt.“
Möglich macht diese von juristischen Laien taxfrei als „Abzocke“ qualifizierte Vorgangsweise ein Österreichisches Rechtsinstitut, das den Schweizer gesetzlichen Vorschriften unbekannt ist: die sogenannte „Besitzstörungsklage“. Diese richtet sich auf Feststellung der Störung des Besitzes, Wiederherstellung des letzten ruhigen Besitzstandes und Untersagung weiterer Störungen. Werden die im Forderungsschreiben des Rechtsanwalts angeführten Kosten bezahlt, erfolgt keine Klage. Was in Vorarlberg und Restösterreich dazu geführt hat, dass Parkplatzbesitzer ihre Rechtsvertreter beauftragen, zu Dutzenden derartige Forderungsschreiben zu versenden. Die HF Liegenschaftsvermietungs GmbH als Betreiberin des Emsparks erläutert ihre Motive zur Beauftragung des Rechtsanwalts: „Der Hintergrund dieser Regelung ist die Verhinderung von Dauerparkern. Die Erfahrung hat gezeigt, dass der Parkraum in den Nachtstunden als auch am Wochenende als „Park and Ride-Anlage“ und als LKW-Parkplatz Verwendung findet, wodurch es zu Ruhestörungen bei den benachbarten Wohnhäusern kommt. Eine Beteiligung an den Anwaltshonoraren ist nicht gegeben.“
Reine Büroarbeit mit hohem Stundensatz
Aber was passiert eigentlich, wenn man nicht auf die Forderung des Rechtsanwalts eingeht, seinen sich auf 200.00 Euro belaufenden Aufwand für die Entgegennahme der Falschparkermeldung von seinem Klienten, für die Einholung der Zulassungsregisterauskunft und der Personalisierung des Standard-Forderungsschreiben zu bezahlen?
Wenn dem Anwalt unverzüglich schriftlich und nachweislich mitgeteilt wird, dass man sich künftig jeder Störung des Besitzes des Parkplatzeigentümers enthalten wird, dann kann von diesem zumindest keine „Unterlassungsklage“ mit hohem Streitwert mehr eingebracht werden. Sehr wohl aber die sogenannte „Besitzstörungsklage“. Dann wird es aber richtig teuer. Selbst wenn man die „erste Tagsatzung“, wie die Auftaktverhandlung in Österreich heisst, nicht besucht, gibt es ein Versäumungsurteil mit gerichtlich festgestellten Kosten von 580 Euro. Lässt man sich auf den Prozess ein, dann muss man beweisen, dass es die Besitzstörung nie gegeben hat. Um all dies zu vermeiden, ist es wohl einfacher, die Parkvorschriften, die bei Parkplätzen kundgemacht sein sollten, sorgfältig zu studieren, um nicht in die Forderungsfalle namens Besitzstörung zu geraten.